Alexander Knechtsberger (DocLX) und Thomas Schwabl (Marketagent) Alexander Knechtsberger (DocLX) und Thomas Schwabl (Marketagent) Ulrich Bentz
18 Jun
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So tickt die Jugend

Was machen die eigentlich? Welche Werte, welche Vorstellungen, welche Wünsche haben die 14 bis 29jährigen zu den bestimmenden Themen unserer Zeit? Sind das Egoisten oder sozial kompatible Wesen?
DocLX und Marketagent versuchen, diese Fragen zu beantworten. Und haben dafür eine eigene Jugendstudie entwickelt, die sie regelmäßig ins Feld schicken.
Auch diesmal hat man sich wieder neun Themenfeldern gewidmet. Vom Verkehr über Umweltbewußtsein, Digitalisierung, Ernährung bis hin zu den Schattenseiten der Jugend, Mobbing und Bodyshaming.
Fazit: Die Jugend ist nicht so blöd, wie vorzugsweise die Erwachsenen denken. Die ja immer die Tendenz haben, zu glauben, nur ihrer Generation sei Hirn mitgegeben worden. Doch bereits in anderen Studien wird Heranwachsenden beschieden, sozialer und problembewusster zu sein als die Elterngeneration. Und diese Studie untermauert diesen Verdacht wieder.
Beispiel Verkehr: Das Auto scheint kein Prestigeobjekt mehr, sondern Gebrauchsgegenstand. Dementsprechend wird es dort, wo man es nicht braucht, abgelehnt. So sprechen sich mittlerweile 25,9 Prozent für autofreie Innenstädte aus. Nur mehr 47 Prozent halten ein eigenes Auto für wichtig. Und 12,6 Prozent glauben, dass es in den nächsten zehn Jahren eine City-Maut geben wird. Ganze 70,4 Prozent wünschen sich kostenfreie öffentliche Verkehrsmittel.
Auf Nachhaltigkeit setzt man aber nicht nur beim Verkehr, sondern auch bei der Ernährung. 6,5 Prozent tischen Vegetarisches auf, 2,6 Prozent Veganes. 78,4 Prozent sind der Überzeugung, dass vegetarische Ernährung ein langfristiger Trend sei. Den Veganismus sieht man dagegen eher als vorübergehendes Phänomen.
Jugendstudie1Über 51 Prozent versuchen, beim Einkauf Plastikverpackung zu vermeiden. Eine große Mehrheit befürwortet auch Verbote. Jenes der Plastiksackerl etwa 91,1 Prozent. 88,2 Prozent können sich auch ein generelles Verbot von Plastikverpackungen vorstellen. Immerhin transportieren mittlerweile 94 Prozent der Jugendlichen ihre Einkäufe mit Rucksack oder eigenem Tragesackerl Richtung eigenes Heim.
Kein Thema mehr sind dagegen Pelze. Sie sind einer Minderheit vorbehalten: Nur noch 2,9 Prozent der jungen Zielgruppe tragen diese. Die Diskussion darum verläuft mittlerweile ruhig, aber eindeutig: 71 Prozent befürworten ein Verbot des Verkaufes von echten Pelzen.
Auch wenn Marketingagent-Chef Thomas Schwabl zu bedenken gibt, dass hier Antworten und Praxis etwas auseinanderklaffen können, scheint einiges darauf hinzuweisen, dass es die Fridays for Future-Generation ernst meint.
Doch, was Marketer am meisten interessiert: Wie halten es die Jungen denn mit den digitalen Gadgets? Über welche heiße Mode können wir sie denn erreichen? Da gibt die Studie zumindest einen Hinweis: eSports ist auch in Österreich stark im Kommen. Die Branche selbst steht zwar werbeeinkommensmäßig bestens da, manch Marketer muss allerdings noch eine Schwelle überschreiten. Schließlich ist die Gesellschaft noch nicht wirklich gewohnt, dass Computerspiele als Sportveranstaltungen angesehen werden, die so viele Zuseher wie ein Fußballspiel vor den Bildschirm locken. Um den Spielern zuzusehen, wohl gemerkt. Die aktuellen Zahlen mögen da ein Ansporn sein: 26,9 Prozent der jungen Österreicher definieren „Counterstrike Global Offensive“, „Dota 2“, „FIFA“ oder „League of Legends“ als „echte“ Sportart. 29,1 Prozent sind an eSports interessiert. Und: 26,8 Prozent haben eSports-Turniere schon auf Streamingplattformen wie Twitch verfolgt, 10,4 Prozent sogar im Fernsehen. Tatsächlich wird auch eSport mit Werten verbunden: 78,1 Prozent sind überzeugt, dass digitale Sportarten Menschen auf der ganzen Welt verbinden. 67,9 Prozent glauben, dass sie wichtige Fähigkeiten wie Konzentration oder Reaktionsgeschwindigkeit positiv beeinflussen. Knapp 60 Prozent schreiben eSportlern eine bessere Teamfähigkeit zu.

Alltagsbegleiter Smartphone
Das Handy ist Alltag und wird von 73,7 Prozent der 14- bis 29-Jährigen als normaler Gebrauchsgegenstand angesehen. Dem man aber auch durchaus mit einer gesunden Skepsis gegenübersteht. So meinen 78,4 Prozent, dass ihre Freunde zu viel Zeit mit dem Handy verbringen. Gegenüber sich selbst sind nur 72,2 Prozent so kritisch.
Die Studie fördert aber auch befremdliche Aussagen zutage: 9,4 Prozent betrachten das Smartphone als Freund, 7,6 Prozent sehen darin gar einen eigenen Körperteil.
Da sollte eine Auszeit hier und da nicht schlecht sein. Tatsächlich wünschen sich diese 74,3 Prozent, zumindest manchmal. 21,6 Prozent haben es bereits hinter sich, 48,1 Prozent wollen demnächst eine Auszeit antreten.

Jugendstudie4Social Media: Die neue ZiB
Gänzlich umgekrempelt hat sich jedenfalls der Medienkonsum unserer Jugend. Man sitzt nicht mehr des Abends mit seinen Eltern vor der Hauptnachrichtensendung, sondern bezieht seine News aus den Social Media. Das gilt zumindest für 55,7 Prozent. Wobei der Prozentsatz niedriger wird, je älter die Zielgruppe. Dennoch liegt er auch bei den 29jährigen nur knapp unter 50 Prozent. Die digitalen Inhalte der Tageszeitungen konsumieren immerhin 38,4 Prozent, ebenso viele wie das „alte“ Medium Radio. Gedrucktes kommt hier nicht mehr so gut an. Dafür Video. Wobei den klassischen TV-Marken in den Streamingdiensten ein ernster Gegner herangewachsen ist. Müssten sich die Jungen für einen Content-Kanal entscheiden, würden sie zu 54,8 Prozent auf Netflix, Amazon und Co. zurückgreifen. Dabei kommt Disney+ und Apple+ erst. 14,9 Prozent sind von den Privat-TV Sendern begeistert, 9,6 Prozent halten den Öffentlich-Rechtlichen die Stange.

Die Schattenseiten
Alles muss heute digital sein, heißt es. Und fast alles wird digital. Auch jene gesellschaftlichen Abgründe, die wir gerne verdrängen würden. Dazu zählt unter anderem Mobbing. Immerhin 13 Prozent der jungen Österreicher waren bereits selbst Opfer von Online-Mobbing, 36,2 Prozent mit dem Thema bereits im persönlichen Umfeld konfrontiert. Wie man dieses Problem handhaben soll, dazu scheint kein Generalrezept zu existieren. 52,7 Prozent versuchten es mit einer Meldung beim Seitenbetreiber. Knapp 20 Prozent konfrontierten den Mobber digital mit seiner Tat, ebenso viele auch persönlich. 15,9 Prozent wendeten sich an eine Vertrauensperson.
Immerhin 27,7 Prozent geben an, dass man Hasspostings nicht ernstnehmen sollte. Für 21,1 Prozent gehört Online-Mobbing zur Alltagsrealität.
Jugendstudie2Ein weiteres Problemfeld des Nachwuchses ist das Phänomen Body Shaming. 72,4 Prozent würden ihren Körper gerne nach einem Idealbild formen und 64,2 Prozent wünschen sich, dass ihr Aussehen auf andere positiv wirkt. 52,6 Prozent fühlen sich unwohl, wenn sie sich subjektiv gesehen nicht attraktiv fühlen.
21,9 Prozent waren bereits Zielscheibe von Body Shaming. Frauen (26,7 Prozent) sind von Diskriminierung aufgrund ihrer Äußerlichkeit stärker betroffen als Männer (17,3 Prozent). Fast die Hälfte (49,1 Prozent) haben solche Diskriminierungen im persönlichen Umfeld erfahren. Mit der „Body Positivity Bewegung“ hat aber auch ein Gegentrend Fuß gefasst. Den immerhin 80,9 Prozent der Befragten für wichtig erachten.
Diese Generation wird auch im Arbeitsumfeld stark von der Digitalisierung beeinflusst sein. Noch lässt sie sich davon nicht abschrecken. 68,1 Prozent meinen, dass sie durch die Digitalisierung nicht von Jobverlust bedroht sein werden. Sozusagen zur Sicherheit sprechen sich aber doch 52,2 Prozent für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. „Digitalisierung ist ein fixer Bestandteil des Lebens der jungen Österreicher und wird nicht mehr losgelöst gesehen“ kommentiert Schwabl.
„Wir sehen das Bild einer sehr vernünftigen Jugend, die bereits mit der Digitalisierung aufgewachsen ist und eine gewisse Ambivalenz entwickelt hat. Schattenseiten der Digitalisierung sind ebenso bewusst wie Vorteile, Potenziale und verbindende Faktoren“, so DocLX-Zampano Alexander Knechtsberger zu den Kernaussagen der Studie.

Für die Studie wurden 2.263 jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren in ganz Österreich per CAWI (=Computer Assisted Web Interviews) im Zeitraum vom 25. April bis 27. Mai befragt.