Wie korrupt wollen wir sein? Screenshots, Collage: BB
27 Jul
geschrieben von 

Wie korrupt wollen wir sein?

Eine hochkarätige Bürgerinitiative hat ein Volksbegehren gegen Korruption in die Wege geleitet. Einer seiner Proponenten, der Rechtswissenschaftler Heinz Mayer, und Meinungsforscherin Andrea Fronaschütz erläuterten im Presseclub Concordia, wie es um die Akeptanz des Plebiszits in der Bevölkerung und bei den politischen Parteien bestellt ist.

Österreich ist nicht arm an Korruption. War es nie und ist es derzeit schon gar nicht. Fast könnte sich der Eindruck einstellen, Korruption gehöre zu Österreich wie Ischgl, Andreas Gabalier oder Toni Sailer. Diesem Eindruck will eine Gruppe besorgter Zeitgenoss*innen allerdings entgegenwirken und untermauert dies durch ein Volksbegehren, das von Politiker*innen Achtung und Integrität vor ihrem Amt, Transparenz, verantwortungsbewusstes und gemeinwohlorientiertes Handeln einfordert. Proponent*innen wie die ehemaligen Präsidentschaftskandidatinnen Irmgard Griss und Heide Schmidt, der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler oder der ehemalige Leiter der derzeit heftig diskutierten Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Walter Geyer, haben das Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehren, wie der gemeinhin als Antikorruptionsbegehren bekannte Plebiszit in voller Pracht heißt, auf Schiene gebracht; so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, der derzeitige Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, Ex-Außenministerin Karin Kneissl, die Journalistin Nora Frey oder die Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg unterstützen es.

Es sind oft, meist sogar, zwei verschiedene Paar Stiefel , was einen Klüngel einschlägig interessierter Menschen - z.B. die sogenannte Twitter-Blase - aufregt und was „die Bevölkerung“ - also ungefähr: die breite Masse - interessiert. Daher war ein Schwerpunkt der heutigen PK im Presseclub Concordia, wie weit die jüngsten Skandale um die Chat-Protokolle auch die Bevölkerung erschüttert haben. Laut den Erhebungen des Gallup Instituts haben sie das: „Es gab Empörung über die Chat-Protokolle“, sagte Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz. „Nicht, dass sie veröffentlicht wurden - das hat die Mehrheit sogar befürwortet, weil man der Meinung ist, da geht es nicht um private Dinge, sondern um Inhalte von öffentlichem Interesse. Es waren die Inhalte, die empört haben. Die Vertrauenswerte in politische Entscheidungsträger sind derzeit auf einem ganz schlechten Niveau“.
Bleibt noch die Frage, wieweit Meinungsumfragen die Bevölkerungsmeinung abbilden. „Unsere Erhebungen beruhen auf 1000er-Stichproben. Das sind robuste, bevölkerungsrepräsentative Umfragen. Wenn wir, wie derzeit meistens, online erheben, dann erheben wir repräsentativ für die webaktive österreichische Bevölkerung. Wenn Sie sehen, dass in der Altersgruppe 50+ die größte Zustimmung zum Volksbegehren herrscht, kann das nicht auf einer Twitter-Blase basieren“, erläuterte Fronaschütz.
Derzeit gibt es - hier allerdings mahnte Fronaschütz aus-und nachdrücklich zu vorsichtiger Interpretation - in der Bevölkerung doppelt so viele Menschen, die die beabsichtigen, das Antikorruptionsbegehren zu unterzeichnen als solche, die das nicht tun wollen. Indes wissen erst 44 Prozent überhaupt von der Initiative.

„Ich bemühe mich, der ÖVP nicht zu unterstellen, dass sie uns frotzeln will"

Das zweite Schwerpunktthema war die Akzeptanz des Volksbegehrens bei den Parteien. Nach außen hin - sprich: öffentlich - signalisieren bekanntlich alle Fraktionen Zustimmung. Da man sich jedoch nicht mir Floskeln und Schönwetteraussagen begnügen wollte, schickte die Initiative einen Fragebogen mit 72 Fragen an alle Parteien. Erbeten wurde eine Rücksendung innerhalb von drei Tagen, denn die Fragen seien leicht zu beantworten gewesen, erklärte Heinz Mayer, ehem. Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät d. Univ. Wien und einer der Proponenten des Volksbegehrens.

„Sofort geantwortet haben die NEOS, die ungefähr zu 97 Prozent den Anliegen des Volksbegehrens zustimmten. Die Sozialdemokraten und die Grünen kamen mit +/- 90 Prozent Zustimmung danach, etwas später die Freiheitliche Partei mit immer noch 60 oder 70 Prozent Zustimmung und ganz zum Schluss und weit abgeschlagen die ÖVP. Die Volkspartei hat nur eine vage Stellungnahme abgegeben, mit wenig Zustimmung. Dafür hat uns die ÖVP ein Begleitschreiben geschickt und uns aufgefordert, das entsprechend zu würdigen und bekanntzumachen. Ich möchte Ihnen den ersten Satz daraus vorlesen: ,Wie Sie wissen, haben unsere in demokratischer Wahl in den Nationalrat gewählten Abgeordneten ein freies Mandat, wodurch es ihnen freisteht, sich selbst zu äußern, Anträge einzubringen und Initiativen in Form von Gesetzesvorschlägen oder Entschließungen zu verabschieden.’ Ich bemühe mich, der ÖVP nicht zu unterstellen, dass sie uns frotzeln will. Es fällt mir zwar schwer, aber ich versuche, das Positive zu sehen. Das Positive ist, dass die ÖVP sich ausdrücklich zum freien Mandat bekennt und sagt, letztlich entscheiden unsere Abgeordneten, was sie unterstützen. Ich hoffe, die Grünen hören das auch und richten sich danach.“

 



Unterstützen Sie BranchenBlatt!

 

Werden Sie Teil des Projektes! BranchenBlatt als Medien-Start-up hat die Krise besonders getroffen. Mit Blut, Schweiß und Geld stehen wir aber hinter dem Projekt. Weil wir der Überzeugung sind, dass der eingefahrene Markt in diesem Bereich dringend frischen Wind benötigt. Und dass unabhängige Berichterstattung ohne Verhaberung der gesamten Branche mehr Glaubwürdigkeit und Gewicht verleiht. 

Unterstützen Sie Ihr neues BranchenBlatt dabei! Wir sind weiterhin bemüht, seriöse und spannende Nachrichten zu liefern. Doch in Zeiten wegfallender Werbeeinnahmen wird die Aufgabe nicht leichter. Sie können für BranchenBlatt in den Ring steigen und mit Ihrer Spende zu einem neuen Mediendiskurs in der Branche beitragen!

 

paypal me 300x140