Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz bei der Präsentation der aktuellen Erhebung Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz bei der Präsentation der aktuellen Erhebung Screenshot
16 Mär
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Der Kredit ist vergeigt

Die ersten Erhebungen des Gallup-Instituts zur Coronakrise zeugten vor einem Jahr von starkem Zuspruch und Vertrauen in die heimischen Medien. Das hat ziemlich nachgelassen, wie sich heute im PC Concordia bei der Präsentation der aktuellen Welle zeigte.

Als das Gallup Institut zusammen mit dem Medienhaus Wien (MHW) vor bald einem Jahr erstmals die Stimmung der Bevölkerung zum Krisenmanagement der Regierung und der Arbeit der hiesigen Medien bezüglich Corona erhob, war beides hoch. Damals betonte Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz stets, die herkömmlichen Medien hätten Rückenwind und die Aufgabe, die neu gewonnenen Kunden längerfristig an sich zu binden.

25 Prozent der Österreicher/innen attestierten im März 2020 den Medien einen konstruktiven Beitrag zur Krisenbewältigung und nur 13 Prozent unterstellten ihnen Panikmache. Heute ist es ziemlich genau umgekehrt.
Zustimmung und Vertrauen in die Medien sind also deutlich gesunken. Dass dasselbe auch für die Maßnahmen der Regierung gilt, hat MHW-GF Andy Kaltenbrunner zur Kreation des Terms „politischer Parallelismus“ inspiriert. Immerhin beurteilt noch immer eine relativ deutliche Mehrheit (57 Prozent) die Arbeit der Medien differenziert. Am skeptischsten wird sie - in dieser Reihenfolge - von FPÖ-Anhängern (52 Prozent), Sympathisanten von NEOS (33 Prozent), Bevölkerungsgruppen ohne Parteipräferenz (35 Prozent) und den unter 30-Jährigen (35 Prozent) beurteilt.

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Gestiegen ist dafür die Sympathie für Corona-Demonstranten. Mehr als ein Drittel der Österreicher (36 Prozent) gibt an, sehr großes oder großes Verständnis für diese Protestbewegungen zu haben (gegenüber 29 Prozent noch im November 2020). Ideologisch ist dieser Pool weniger homogen als man vielleicht glauben würde. Natürlich manifestiert sich in diesem Haufen ein deutlicher Rechtsdrall, doch kommt zunehmend Zulauf auch von links und NEO-Sympathisanten. Anhänger der Regierungsparteien stehen den Demonstrationen naturgemäß am fernsten. Überdurchschnittlich viele Demo-Befürworter finden sich in jenen Bevölkerungssegmenten, die von der Krise ökonomisch am stärksten getroffen sind: In der Altersgruppe der 31-50-Jährigen (45 Prozent), in Haushalten mit Kindern (49 Prozent), bei geringen Einkommen (HH-Nettoeinkommen bis €1.500 (48 Prozent), Selbstständigen (43 Prozent), Arbeitern (45 Prozent) und insbesondere jenen, die im Laufe der Krise ihren Arbeitsplatz (60 Prozent) bzw. ihr Einkommen (55 Prozent) verloren haben. War man selbst oder ein Familienmitglied an Covid-19 erkrankt, ist das Verständnis für Demonstrationen unterdurchschnittlich (27 Prozent vs. 35 Prozent im November 2020).

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Verglichen mit der Gesamtbevölkerung zeigt das Informationsverhalten der Befürworter von Demonstrationen einige Besonderheiten: Die klassischen Medien werden seltener zur Corona-Information genutzt, vor allem Zeitungen (nur 44 Prozent im Vergleich zu 57 Prozent im Bevölkerungsdurchschnitt). Häufiger wird hingegen auf Social Media zurückgegriffen (36 Prozent vs. 29 Prozent).
Bei einem insgesamt niedrigeren Informationsstand über die Pandemie werden die Nachrichten von den Demo-Befürwortern häufiger vermieden (55 Prozent vs. 36 Prozent sehr häufig oder häufig). Die Nachrichtenvermeidung wird hauptsächlich mit Einseitigkeit der Information (47 Prozent) und Überforderung durch die Informationsflut (42 Prozent) begründet, thematisiert werden auch die psychische Belastung (38 Prozent) und das fehlende Vertrauen in die Medien (37 Prozent). Gleichzeitig tendiert diese Gruppe aber dazu, sich in Online-Foren und auf Social-Media-Kanälen überproportional stark und laut zu Wort zu melden.

Kein Wunder, dass bei der Präsentation in Kaltenbrunners Resümee ein leiser kalter Hauch von Apokalypse wehte: „Diese heterogene Gruppe Unzufriedener ist von den Medien immer schwieriger zu erreichen, weil diese, wie wir sehen, als Teil des Problems gesehen werden. Ich war aus staatsbürgerlicher Sicht ein bisschen erschrocken, wie groß der Anteil an Menschen mit einem systemischen Mißtrauen gegen die Regierung, gegen Politik schlechtin und gegen die Medien im Allgemeinen ist, die kaum mehr Dialog-einbindbar sind. Das muss uns schon, jenseits aller Forschung, zu denken geben.“

„Uns wär´s auch lieber gewesen, wir hätten ähnlich gute Daten wie in den ersten Wellen im vergangenen Frühjahr präsentiert“, replizierte abschließlich Fronaschütz. „Wir können aber nicht immer Schönwetterdaten zeigen. Es ist wichtig, dass wir die aktuellen Daten so zeigen, wie sie sind.“ In voraussichtlich vier bis sechs Wochen soll die nächste Untersuchung präsentiert werden. „Ich hoffe, es werden nicht mehr so viele werden, wie es schon waren. Aber so lange wir die Pandemie haben, werden wir die Coronawellen weiterhin erheben.“

Untersuchungszeitraum: 18. – 22. Februar 2021
Stichprobe: 1000 Personen repräsentativ für die (webaktive) österreichische Bevölkerung 16+

 



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