Die 5. Welle des Corona-Stimmungsbarometers ist angerollt: Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz Die 5. Welle des Corona-Stimmungsbarometers ist angerollt: Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz Screenshot, Gallup Institut
18 Nov
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Wir vertrauen denen da oben nicht mehr

Gallup-Corona-Stimmungsbarometer, Welle 5: Die Österreicher sind nicht mehr flächendeckend überzeugt, dass ihre Volksvertreter die richtige Maßnahmen gegen die Pandemie ergreifen.

Österreicher haben Angst vor Corona, sind auch (wieder) in hohem Maße bereit, zu ihrem Schutz Freiheitsbeschränkungen hinzunehmen - aber sie vertrauen der Regierung nicht mehr, die richtigen Massnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie zu ergreifen: Nur mehr die Hälfte der Bevölkerung - so wenig wie noch nie, im Juni waren es noch drei Viertel, im März 91!! % - glaubt, dass die da oben die richtigen Schritte dagegen setzen. „Wir haben eine Resignation Richtung Realismus. Die Selbstüberschätzung, dass ,wir’ oder unsere Regierung die Krise besser meistern als ,die Anderen’, ist weg“, konstatierte Andy Kaltenbrunner, Leiter des Medienhauses Wien, das zusammen mit dem Gallup Institut regelmäßig die Stimmungslage zu Corona erhebt. Ebenso regelmäßig präsentieren das Marktforschungsunternehmen und das MHW die Studienergebnisse im Rahmen von  Zoom-Konferenzen im Presseclub Concordia. Diese Form hat unschätzbare Vorteile, wie Heinz P. Wassermann, Lehrender am Studiengang Journalismus und Public Relations an der FH Joanneum in Graz, heute vormittag bei der neuesten Präsentation feststellte: „Covid-19 ist scheiße, aber großartig daran finde ich, dass man jetzt jenseits des Semmerings mitbekommt, was sich in Wien tut.“

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Der Erhebungszeitraum für die 5. Auflage des Corona-Stimmungsbarometers - Gallup nennt es „5. Welle“ - war der 5. bis 10. November, als also verschärfte Maßnahmen bereits absehbar waren. Befragt wurden online 1000 für die webaktive Bevölkerung repräsentative Personen ab 16 Jahren. Was ihre Einschätzung über die Krisenbewältigungskompetenz der österr. Regierung eher düster ausfallen lässt, sind Befürchtungen von Kollateralschäden: „63% meinen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen das Leben von mehr Menschen in unserem Land zerstören werden als die Krankheit selbst und 56% fürchten, dass die soziale Isolation indirekt mehr Schäden verursachen wird als Covid-19“, erklärte Gallup-Geschäftsführerin Andrea Fronaschütz.

Zwar glauben noch immer 60 % im Lande, dass es uns in der Krise noch besser geht als anderen EU-Ländern - schreiben das aber nicht der Weisheit unserer Volksvertreter zu.

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Genug von Hiobsbotschaften

Was die Einschätzung der medialen Berichterstattung über Corona angeht, so fühlen sich die Österreicher zu drei Vierteln gut informiert. Dieser Wert war schon einmal höher. Steigende Skepsis seitens der Jüngsten (16 - 30 Jahre) und der Gruppe 31 - 50 J drücken ihn von einem Hoch von 84 % im Mai auf die aktuellen 74 %. Demgegenüber ist ein leichter Anstieg der Nutzungsdauer festzustellen.
Die Anzahl der völlig Desinteressierten, die noch im Oktober ein gutes Drittel der Befragten ausgemacht hatte, ist auf weniger als ein Fünftel zurückgegangen. Was aber deutlich gewachsen ist, ist die Gruppe der Corona-Müden, die, weil sie´s nicht mehr hören kann oder genug von Hiobsbotschaften hat, Nachrichten um das Virus bewusst vermeidet: Sie erfasst insgesamt 81 %. Mehr als ein Drittel verweigert (sehr) häufig Corona-Nachrichten, weitere 46% weichen diesen gelegentlich bewusst aus.

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Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haben im Vergleich zu den Werten im April d.J. bei Glaubwürdigkeit und Relevanz ein bisschen Federn gelassen, während Servus TV beträchtlich zugelegt hat. Hier glaubt nicht nur Fronaschütz an einen gewissen Sogeffekt in dem Sinne, dass sich im Mateschitz-Sender die „kritischen Stimmen“ und Corona-Skeptiker konzentriert sammeln.
Wie der ORF haben auch einige österreichische Tageszeitungen wie Der Standard und die Oberösterreichischen Nachrichten haben in ihrer Corona-Berichterstattung an Glaubwürdigkeit und Relevanz eingebüsst. Bei der Glaubwürdigkeit im Regelfall nur leicht (von hohen auf niedrige 80er-%-Werte), bei der Relevanz etwas stärker (um die 10 %). Ein Sonderfall sind die Salzburger Nachrichten, die bei der Glaubwürdigkeit relativ massiv verloren, aber - als einzige heimische Zeitung - an Relevanz zugelegt haben. Andere Bundesländerzeitungen sowie die Boulevard-Titel hielten ihre Anteile in diesen beiden Segmenten konstant. Die gute Nachricht für die Qualitätszeitungen ist, dass mit guten Online-Angebot hohe Anteile von jungen Lesern haben. Der Standard, die Kleine Zeitung, die Presse, die Tiroler Tageszeitung und die SN stehen in diesem Punkt gut da. Gallup-GF Fronaschütz bekräftigt, was sie diesbezüglich schon einmal früher gesagt hat: „Dies Herausforderung wird sein, diese Leser zu halten."