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29 Mai
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Basti „schreibt ein Buch"

Es braucht nur einen Scheck und eine Erfüllungskraft, die das Schreiberische erledigt: Jeder dahergelaufene Trottel kann sich heute als „Autor" in Positur werfen. Das empört Armin Thurnher zu Recht, wird sich aber nicht ändern - solange die Buchbranche ihre eigentliche Aufgabe, Literatur und Wissen zu fördern, vernachlässigt, um mit banalen Lebensbeichten abgehalterter Promis auf den großen Reibach zu spekulieren.

 

Sebastian Kurz wird „ein Buch schreiben". Das musste so sicher kommen wie eine Gelsenplage nach einer Überschwemmung. Jeder dahergelaufene B- bis Z-Promi „schreibt ein Buch". Warum also nicht auch der ehemalige Bundeskanzler der Republik, zu dem Narzissmus und Selbstgefälligkeit wesenhaft gehören wie bei Tennisturnieren das Flaschenausrichten und Zupfen an diversen Gesichts- und Körperteilen zu Rafael Nadal?!
Natürlich schreibt Kurz das Buch nicht selbst. Er würde keine zwei Sätze unfallfrei zu Papier bringen. Das ist bei Quasseln - also angeblich brillanten Rhetorikern wie eben Sebastian Kurz - ein Naturgesetz. Quasseln sind nämlich nicht wirklich brillante Rhetoriker - sie schaffen es nur, sich so darzustellen, als seien sie´s. Analysiert man die Reden und Aussagen von Kurz in Interviews und bei öffentlichen Auftritten auf ihren Verbalduktus, so offenbaren sie ein beschränktes, farbloses, abgegriffenes, furchtbar phrasenhaftes Vokabular und eine einfältige, von Espirit und Raffinesse gänzlich unversehrte Satzbildung. Was Shortys vermeintliche Redekunst ausmacht, ist der auf emotional frisierte Vortrag mittels verschiedener („akzentuierender") Tonhöhen, bedeutungsschwangerer Pausen und pathetischer Emphase auf bestimmte Passagen. So funktioniert Marketing-Sprech.

Beim Schreiben gehen aber solche Gimmicks nicht. Daher muss das wer anderer für ihn machen: die routiniert-versierte Krone-Journalistin Conny Bischofberger, die im Unterschied zu Kurz tatsächlich Bücher schreiben kann. Fraglos wird sie diese Arbeit sauber erledigen. Wird in tadellosem Stil und Wording zu Papier bringen, wie Kurz angeblich einen „neuen Stil" in die Politik habe bringen wollen, dabei aber bösartigen Machenschaften des politischen Mitbewerbs zum Opfer gefallen sei. Und natürlich wird sie der Aufzählung von „Erfolgen" breiten Raum geben müssen: „Balkanroute geschlossen", … war da sonst noch was? „Pandemie beendet" vielleicht?

Dass Sebastian Kurz jetzt also „ein Buch schreibt", empört Falter-Herausgeber Armin Thurnher so rechtschaffen wie vorhersehbar. In einer der jüngsten Ausgaben seiner Seuchenkolumne hat er denn auch seinem Unmut Luft gemacht.
„Sebastian Kurz schreibt ein Buch, ohne ein Buch zu schreiben, er lässt ein Buch verfassen, von einer Buchverfassungsprofessionellen", beklagt Thurnher die Hybris, sich mit einer Leistung zu schmücken, die man selbst nicht erbracht, sondern vielmehr gekauft hat. Dabei aber in der gleichen Branche agiert wie der echte Autor*, den mit seinem Buch eine organisch gewachsene Beziehung verbindet. „Ich zum Beispiel hatte", erinnert sich Thurnher, „einen Heidenrespekt vor meinem ersten Buch. Ich hatte immer davon geträumt, eines zu schreiben, und als es dann kam, war es anders, aber es war anstrengend und schön. Mein erstes Buch war eine Kompilation eigener Texte. Sie erschien unter dem Titel ,Schwarze Zwerge. Österreichs Medienlandschaft und ihre Bewohner‘ im Sonderzahl Verlag und versammelte viele meiner zum Thema Medien im Falter erschienenen Glossen."
Mein erstes Buch - es hatte auch „was mit Medien" zu tun - hatte übrigens auch eine schwierige Genese. Das wurde bei den nachfolgenden Büchern nicht besser, eher im Gegenteil. Ich könnte - müsste eigentlich - neidig werden, wie schnell und einfach das bei Zeitgenossen „von Rang und Namen" geht. Freilich bin ich zu abgestumpft, um mich noch groß darüber aufregen zu können. Das ist nicht einmal jetzt, wo sich selbst ein Sebastian Kurz mit einem Buch wichtig macht, anders. Da ist nur mehr müde Resignation. Und eine gewisse Verachtung für die Buchbranche, die sowas zulässt (dazu gleich mehr).

Gewiss teile ich mit Thurnher die Kränkung, das diffizile, anspruchsvolle, anstrengende und nervenververschleißende Unternehmen Buchmachen trivialisiert zu sehen. Es ist fraglos übel zu erleben, wie irgendwelche Society-Visagen, die schon bei einem Satz mit mehr als fünf Worten ins Schleudern kommen, hofiert, verlegt, fürstlich bezahlt und medial beworben werden, während prekär lebende Autoren, die hart für eine Buchveröffentlichung arbeiten, von der Mehrheitsgesellschaft („dem Volk"), der Politik und ihrer eigenen Branche wie Ungeziefer behandelt werden. Leider aber ist dieser widerwärtige Antagonismus, nüchtern betrachtet, genausowenig auszurotten wie Krankheiten oder Süchte. Die Logik des Marktes und der menschlichen Eitelkeit greifen hier ineinander: Da haben wir auf der einen Seite Dumpfbacken im Volk und nicht zuletzt in den Medien, die sich allemal gern erzählen lassen, wie irgendein Starlet am 2. November 2011 nach dem Aufstehen geschissen hat. Und da haben wir auf der anderen Seite die Promis, die unbedingt auch noch ein Buch in ihrer Vita stehen haben wollen, und Verlage, die sich gegenseitig mit Angeboten übertrumpfen, um deren Ergüsse zu drucken. Wohlrespektierte Verlage, die sich dann gerne auf öffentliche Relevanz oder allsowas berufen. Und auf wirtschaftliche Überlebensnotwendigkeit.

Ja, wir müssen über die Buchbranche reden. Nachhaltiger als im willfährigem Bedienen von Voyeurismus, Exhibitionismus und Populismus, das sie mit dem massenhaften Verlegen von geistlosem Promi-Dreck leistet, könnte sich ihre armselige Verfassung kaum manifestieren. Keine andere kulturelle Sparte - nicht einmal eine strukturell als „kommerziell" ausgewiesene/punzierte wie die Popmusik - agiert dermaßen scheuklappensichtig merkantil wie der Buchhandel. Natürlich gibt es engagierte Kleinverlage, die tatsächlich Interesse an guten, interessanten Texten haben, aber diese bestimmen mangels ökonomischer Ressourcen nicht die Branchenregeln. Das tun schon die sogenannten Großen.

So richtig geht deren Rechnung mit den Promis aber auch nicht auf. Denn wer erinnert sich noch an die Bücher „von" DJ Ötzi, Richard Lugner, Conchita Wurst, Christina Lugner, Heinz-Christian Strache, Hermann Meier, Stefanie Hertl oder Roland Kaiser, wenn die Society-Teams der TV-Stationen abgezogen sind und die einschlägigen Revolverblätter längst die nächste Sau durchs Dorf treiben?
Kurz wird fraglos ein bisschen stärker nachwirken. Auch seriöse Medien werden sich - natürlich nach außen hin kritisch, insgeheim vielleicht aber eh froh über ein populistisches Thema - mit „seinem" Buch auseinandersetzen. Sehr realistisch vorstellbar ist auch, dass es von der Gemeinde zum Heiligen Sebastian als Vollwaschmittel gegen neue Vorwürfe oder gar Rechtsverfahren dienstbar gemacht werden wird: „Im Buch steht doch…!" Nach ein paar Monaten wird aber auch dieses Machwerk den Weg in die Bedeutungslosigkeit einschlagen.

Herausbringen wird Kurz seine nicht selbstgeschriebene Selbstbeweihräucherung übrigens im Herbst in der edition a. Dort publizieren u.a. Thomas Brezina, Krone-Rechtsausleger Tassilo Wallentin, Sonja Klima, aber auch Burgtheater-Intendant Martin Kušej oder der Komplexitätsforscher Stefan Thurner. Auch Shortys Buchverfassungsprofessionelle Conny Bischofberger veröffentlicht in diesem Verlag - Liebesromane wie „Eisschwimmen" oder „Herzschweißen". Sebastian Kurz selbst war bereits einmal Thema eines edition a-Buchs: In „Inside Türkis" (2020) untersucht der Journalist Klaus Knittelfelder (Die Presse) die Schattenmänner-Allianz um Gerald Fleischmann, Johannes Frischmann und Stefan Steiner, auf deren Wirken der Aufstieg des mittlerweile gefallenen Hoffnungsträgers der europäischen Rechtspopulisten beruht.

*Weibliche Form mitgemeint