08 Jul
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Der Buh-Mann

Jetzt ist er schon wieder in aller Munde. Der ungarische Premier Viktor Orbán hat es geschafft, die „liberalen“ Gazetten in der EU gegen sich aufzubringen. Dazu musste er nur ein Inserat schalten, in dem er seine Zukunftsvision der EU von sich gab. Und die heißt: Weniger Migranten, mehr national, EU soll sich auf die Wirtschaft konzentrieren, die Gremien dort agierten autoritär und würden über die Nationalstaaten drüberfahren. Soweit, so gut. Mittlerweile dürfte sie ja bekannt sein, die Idee der illiberalen Demokratie, die in Ungarn umgesetzt werden soll. Demokraten haben damit zwar ein Problem, doch so viele gibt es ja auch nicht mehr. In Ungarn. Und in der EU.

Denn, ist Orbáns Vorgehen weder überraschend noch neu, ist die Reaktion der EU darauf heuchlerisch. Argumentiert wird, dass Ungarn gegen die „Werte“ der EU verstoße und die Demokratie untergrabe. Es stimmt. Orban verstößt gegen die propagierten Werte der EU. Aber da ist er nicht der Einzige. Die EU verstößt gegen die Werte der EU.
Wie dankbar war man dem ungarischen Regierungschef, als er 2015 gegen die Migranten wetterte. In aller Ruhe konnten die übrigen Regierungschefs auf ihn schimpfen, während die Balken im eigenen Land immer stärker befestigt wurden. Push-Backs, Zurückdrängen von Schlauchbooten auf Hoher See – Methoden, die nicht Ungarn, sondern die EU mittlerweile kultiviert hat. Der ungarische Regierungschef gab bereitwillig den Schwarzen Peter, sammelte er damit doch Punkte im eigenen Land.
Und darum geht es auch diesmal. Orbán kritisiert die EU nicht. Er macht Innenpolitik. Immer, wenn es eng wurde, gab er in den EU-Gremien nach. Aber die EU-Kritik verschafft ihm Punkte im Heimatland. Die er, so wie viele andere Regierungschefs, nicht auslassen will. Er pflegt diese scharfe Rhetorik der Kritik schon seit Jahren, ohne dass dies irgendwen aus der EU je gejuckt hätte.
Und mit einigem hat er durchaus Recht. Die Vertretung des Volkes in den EU-Gremien war schon immer ein Problembereich. Auf gut Deutsch: Die EU fällt durch mangelnde Demokratie auf. Es bestimmen die Staaten, vornehmlich Deutschland und Frankreich. Weniger wichtige Bereiche überlässt man dann den Abgeordneten. Oder wie war das noch bei der letzten Wahl? Sind da nicht zwei Fraktionen angetreten, von denen der siegreiche Spitzenkandidat Kommissionspräsident hätte werden sollen? Eigentlich schon, aber der hat den Nationalstaaten nicht gepasst. Also wurde Frau Ursula von der Leyen, die sich in Deutschland sowieso in jeder Ministerposition als Katastrophe entpuppte, aus dem Merkel-Reiche weggelobt. Ganz demokratisch.
Aber auch das Konzept der illiberalen Demokratie kommt bei einigen durchaus an. Sieht man deutlich am vergangenen Jahr, in dem Grundrechte entzogen wurden. Und wie erhält man sie zurück? Als Belohnung des Staates, in dem man sich willfährig erweist. Wobei noch nicht gesagt ist, dass sie nicht wieder entzogen werden.
Einige Ideen konnte Orbán schließlich erst mit Hilfe des Auslandes durchsetzen. Etwa die Kontrolle über praktisch alle Print-Medien im Lande.
Heuchlerisch ist die öffentliche Kritik aber vor allem deswegen, weil niemand daran denkt, an dem jetzigen Zustand etwas zu ändern. Das Orbán-System lebt von den EU-Geldern. Und macht Installateure zu den reichsten Männern des Landes. Korruption? Hätte man längst untersuchen können. Aber wozu Staub aufwirbeln? Lebt doch die EU auch prächtig von Ungarn. Gerade Deutschland und Österreich profitieren gewaltig. Die Transferzahlungen sind nichts anderes als eine Investition, die doppelt und dreifach zurückkommt. Dafür sorgt Orban mit niedrigen Löhnen, machtlosen Gewerkschaften und Zuckerln für Investoren. Auf gut Deutsch: Eine Hand wäscht die andere.

 



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