Das plötzliche G´riss um Nadelstiche KitzD66 / Pixabay
18 Jan
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Das plötzliche G´riss um Nadelstiche

Im pragmatischen Sinn kommen ja Impfbefürworter sehr gut mit Impfgegnern klar: Ein Impfverweigerer = einer weniger auf der Warteliste. Doch jetzt scheint´s überraschend schwierig zu werden. Und zwar just weil die Zahl der Verweigerer abzunehmen scheint. Denn neuerdings beherrscht eher Impfneid als Impfskepsis die öffentliche Diskussion.

 

Eine interessante Auseinandersetzung zweier älterer Herren spielte letzte Woche der Standard. Eine Debatte mit Niveau, da Fernsehlegende Teddy Podgorski, 85, und Wien Erzbischof Christoph Schönborn, 75, Gentlemen von gepflegter Diskussionskultur und subtilem Witz sind. Obendrein kennen sie sich schon eine Weile: Vor 50 Jahren lehrte Podgorski nämlich Schönborn und andere junge Priester in einem Seminar die Kunst des fernsehgerechten Auftretens. Schönborn kaprizierte sich in seiner Präsentation auf die seiner Meinung nach unwürdige Menschenhatz bei Aktenzeichen XY ungelöst. Er wusste nicht, dass Podgorski bei dieser Sendung Studioleiter war.
Im Standard widmet sich Podgorski der Corona-Impfung, der sich Schönborn - nach überstandener Krebsoperation und Lungeninfarkt - mit kräftiger öffentlicher Begleitmusik noch Ende letzten Jahres in einer kirchlichen Geriatrie-Einrichtung unterzogen hatte. Mittelbar äußert Podgorski dazu den Vorwurf, dieser Akt repräsentiere Privilegien der Eliten, die sich stets als Erste in Sicherheit brächten. Er selbst hätte sich auch gerne impfen lassen, schreibt der Ex-ORF-Generalintendant. „Schließlich bin ich älter als Eminenz und wurde auch unter großen Schmerzen auf erniedrigende Art und Weise von urologischen Heimsuchungen gequält. Daneben pflege ich noch meine schwerkranke Frau.“
Doch nix da: Als Podgorski die staatliche Impfnummer anrief, erfuhr er: „Es gibt ka Impfung net.“
Schönborn räumt in seiner Replik ein, dass seine frühe Impfung kritisch gesehen werden kann. Er versichert aber (glaubhaft), durch sein Vorbild weitere Menschen von der Notwendigkeit des Impfens überzeugen zu wollen. „Unsere Auseinandersetzung“ resümiert Schönborn, „zeigt mir aber auch etwas Positives: Der ,Impfneid’ wächst! Neid ist zwar keine Tugend, aber er zeigt, dass Impfen ein begehrtes Gut ist.“
Damit spricht er ein großes Wort gelassen aus. Und verweist en passant, ohne es direkt anzusprechen, auf den irgendwo einigermaßen kuriosen Diskurs um die Corona-Schutzimpfung in Österreich.

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Neid als positives Signal ist seltsam genug. Eigentümlich ist aber zunächst einmal, wie stark die Stimmung in Österreich in ziemlich kurzer Zeit umgeschlagen hat. Statt Impfskepsis scheint - das untermauern auch Statistiken - ein G´riss um die Nadelstiche ausgebrochen zu sein. Seit Bill Gates Ende 2020 die Weltherrschaft über die Pensionistin Theresia Hofer erlangt hat, wirken die Impfgegner - notorische Geiferer wie Herbert Kickl, der Feindbilder als politisches Grundnahrungsmittel braucht, natürlich ausgenommen - seltsam schmähstad. Vermutlich gut im Sinne eines intelligiblen Meinungsaustausches, schlecht aber für den Unterhaltungsfaktor.
Lustig wird´s allerdings trotzdem - etwa wenn jetzt gestandene Impfgegner und Covidioten in Sozialen Medien stänkern, dass nicht genügend Impfstoff da ist bzw. kein Plan, diesen effektiv und schnell zu verimpfen. Da unterscheidet sich ihre Kritik kaum von jener der Impfbefürworter: Wie sich´s darstellt, geht´s allen - faktisch mit Recht! - viel zu langsam und lasch. Fast will es scheinen, als hätten die unerklärlichen Pannen bei Serumsbeschaffung und Injizierung an gefährdete Personen einen Impf-Hype erzeugt.
Was gäbe übrigens das für eine grandiose Verschwörungserzählung ab: DIE REGIERUNG IST BEI DEN ERSTEN IMPFUNGEN ABSICHTLICH AUF DIE BREMSE GESTIEGEN, UM DIE NACHFRAGE ZU STEIGERN! Dieses Narrativ funktioniert sowohl für Impfgegner wie auch Shorty-Fans. Gegner wittern skandalöse Mafia-Methoden zur künstlichen Anhebung der Impf-Bereitschaft. Anhänger des Kanzlers und seiner türkis-grünen Gefolgschaft feiern den Pfusch als genialen Schachzug, Menschen auf subtile Weise auf den Weg der Vernunft gebracht zu haben. Übrigens hätte eine solche Verschwörungstheorie eines bewusst schleißig implementierten Impfstarts sogar eine nicht unlogische „Legitimation“ in der Geschichte des Corona-Krisen-Managements dieses Landes: In der Frühphase der Pandemie im März 2020 war ja auch vorsätzlich mit negativer Propaganda - durch faktisch unbegründete Angstmache - Stimmung für den obrigkeitlichen Kurs gemacht worden. Sie erinnern sich, jeder wird einen Coronatoten kennen.

Im pragmatischen Sinn kommen ja Impfgegner und -befürworter gut miteinander aus. Was für die einen passt, ist häufig auch den anderen recht und billig: Ein wackerer Impfverweigerer ist einer weniger auf der Warteliste!

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Für die Wirtschaft, die möglichst viele Impfwillige braucht, ist das zugegebenermaßen eine eher nicht so taugliche Gleichung. Für den gesellschaftlichen Frieden ist es wiederum keine übertrieben verheißungsvolle Perspektive, wie Rabiatlingen mit Garantie das (Un)Geimpfte aufgehen wird, wenn sie ohne entsprechenden Nachweis irgendwo nicht Zutritt bekommen. Das zu handlen, wird eine echte Herausforderung. Verglichen damit werden sich alle die Auseinandersetzungen pro/contra MNS-Masken wie gepflegte Tischgespräche ausnehmen.