Krisen-Tagebuch Pixabay
05 Apr
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Krisen-Tagebuch

Mittlerweile geht es in die dritte Woche. Vor vier Wochen konnte man sich das nicht vorstellen. Eine Beschränkung der Freiheiten, wie es sie in der zweiten Republik noch nie gab. Schuld daran ein Alien, ein Virus, ein bis dato unbekannter Krankheitserreger. Seit sich der bei uns einnistet, steht das Land still. Und nicht nur dieses. Die Maßnahmen, die zur Bekämpfung ausgegraben werden, sind rigoros. Werden aber bis jetzt anerkannt. Immerhin zählt es zur Aufgabe des Staates, im Falle einer Katastrophe mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen.

Aber drumherum ist schon einiges aufgefallen.

Der ORF
Es war erstaunlich, wie schnell der ORF in den Krisenmodus verfiel. Von einem Tag auf den anderen wurde die ZiB zum Regierungsverkündungsorgan. Und war manchmal sogar strenger als die Regierung. Hieß es doch dort zuerst: Spazieren verboten. Haus verlassen nur zum Einkaufen. Das hat die Regierung so nie beschlossen.
Gut erinnerlich noch die Reporterin, die sich vor den Ausgangsbeschränkungen im Wiener Stadtpark in der Nähe eines Kinderspielplatzes positionierte. Und jene Eltern kritisierte, die ihrem Nachwuchs dort noch einen letzten Auslauf gönnten. Dabei auch anführte, dass sie selbst sich auch während der Ausgangsbeschränkungen hier bewegen dürfe, denn sie ginge ja ihrem Job nach. Ganz ehrlich: Dieser Beitrag wäre entbehrlich gewesen und sie hätte gerne zu Hause bleiben können.
Nach einer Woche und dem Tiroler Desaster läutete Armin Wolf die Kehrtwende ein. Sein Interview mit dem Tiroler Gesundheitslandesrat muss für diesen in einem normalen demokratischen Staat den Rücktritt bedeuten. Der hoffentlich nach der Krise folgen wird. Jedenfalls normalisieren sich die Nachrichten seitdem. Wolf geht den Weg weiter voran, etwa mit seinem Interview mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Auch so kann man Maßnahmen vermitteln, gleich Missverständnisse ausschließen und schon mal herauskitzeln, in welche Richtung es gehen könnte. Damit sich die Menschen auch darauf einstellen können.

Die Gesellschaft
Wenn das Virus es schafft, das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem umzukrempeln, dann hat es irgendwo auch etwas Gutes. Der Egotrip, der von der Wirtschaft auf die Gesellschaft übergesprungen war, gehört in beiden Lagern auf die Müllhalde entsorgt. Bringt die Wirtschaft nichts für die Gesellschaft, ist sie unbrauchbar. Ist die Gesellschaft nur eine Ansammlung von Individuen, die sich möglichst gegenseitig schaden wollen, funktioniert sie nicht. Dort steuerten wir aber vor der Krise mit Vollgas hin. Ob man das Zusammenleben und Wirtschaften nachhaltiger gestalten kann und will, das bleibt die Frage für danach. Im Auge behalten sollte man aber: Es hat kaum eine Woche gedauert, um das System an den Rand des Abgrunds zu fahren.

Die Politik
Ja eh. Schön. Dass man so viele PKs gibt, um Transparenz zu signalisieren, ist prinzipiell nicht schlecht. Das zeigt sich ja auch in den Zustimmungswerten, mit denen die Regierung derzeit ausgestattet wird. Aber einiges wäre schon verbesserungswürdig. Da wären die zu Beginn der Krise sich zu schnell widersprechenden Aussagen. Also: Schule wird nicht gesperrt. Am nächsten Tag: Schule wird gesperrt. Lokale oder Grenzen wären weitere Beispiele. Nicht, dass ich nicht zugestehe, dass sich die Gegebenheiten schnell ändern können. Aber so von einem Tag auf den anderen? Aber gut, war nicht so schlimm.
Schlimmer fand ich die Selbstpräsentation der Verteidigungsministerin, die nun die Miliz einberufen hat. Wo werden die eingesetzt? Zieht das Militär durch die Straßen? Das wäre ein fatales Zeichen und sollte unter allen Umständen verhindert werden. Dass das Militär hier wieder mit Polizeiaufgaben im Inneren aufmarschiert, weckt da eher Erinnerungen an düstere Zeiten. Und ja, ich oute mich jetzt: Ich finde es auch nicht in Ordnung, wenn die Feuerwehr die Grenzen kontrolliert. Auch, wenn es nur ums Fiebermessen geht.
Und noch eine Frage: Werden die einkaserniert? Also dürfen die sich dann richtig schön gegenseitig anstecken? Um dann auf die Bevölkerung losgelassen zu werden? Irgendwie fehlen mir da noch Antworten.
Dann kamen die Masken. Erst wurden sie als unbrauchbar abgekanzelt. Da gab es ja auch keine in Österreich. Nachdem Nachschub sichtbar wurde, taugen sie plötzlich doch etwas. Das hat eigentlich nie wirklich jemand bezweifelt. Einmalig dann die Idee, mit der sie hierzulande nun verteilt werden sollen. Die Supermärkte sollen sich darum, und das noch dazu auf eigene Rechnung, kümmern. Als Verteilstation sind die Märkte tatsächlich keine schlechte Idee. Aber warum die Beschaffung nicht beim Staat liegt, bleibt ein Rätsel.
Und dann ist da noch der Bundeskanzler. Big Data? China als Vorbild? Ist die Coronavirus-Krise nun endlich die Chance, die totale Überwachung einzuführen? Denn eines ist klar: Ist ein Überwachungsinstrument erst einmal eingeführt, dann verschwindet es so schnell nicht wieder.
Aber das war nicht das einzige Problem. Ich gestehe, das Wording gefällt mir überhaupt nicht. Auch als Angehöriger von zwei Risikopersonen. Die sich derzeit bester Gesundheit erfreuen. Da finde ich die Panik, die der Bundeskanzler unter das Volk bringt, nicht nur befremdend, sondern auch abstoßend. Von „Das Schlimmste steht uns noch bevor“, bis „Es werden viele Menschen sterben“. Und der Gipfel: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona verstorben ist“. Selbst wenn das stimmen würde, wäre es eigentlich nicht die richtige Motivation, um die Krise gut zu durchstehen. Meiner Ansicht nach. Aber es stimmt auch so nicht. Oder, wie es ein deutscher Virologe erklärte: Die mathematische Berechnung ist richtig. Aber die Datenlage ändert sich derzeit so schnell, dass die Grundlage zwei Tage später schon wieder falsch ist. Weil man das Virus einfach noch nicht gut genug kennt. Und, ehrlich, die Zahlen deuten bis jetzt auch nicht auf ein Massensterben hin. In Österreich.

Die Medien
Sie haben jetzt bald drei Wochen fetteste Schlagzeilen hinter sich. So viele Leser wie schon lange nicht mehr. Ihre wichtigste Funktion steht aber erst noch bevor: Sie müssen das Anlaufen der Gesellschaft und die Rücknahme der Maßnahmen kritisch begleiten. Dafür sorgen, dass wirklich alle freiheitsbeschränkenden Verordnungen aufgehoben werden. Und dass das Krisenmanagement, von Tirol bis zur Regierung, noch einmal gründlich aufgearbeitet wird.