Eine Lanze für Kickl Pixabay
03 Feb
geschrieben von 

Eine Lanze für Kickl

Ich gebe es zu: Ich schaue politische Sendungen nicht mehr gerne. Genauer: Diskussionen mit Politikern. Wird ein Politiker in die ZIB2 eingeladen, regt sich bei mir schon der Abschaltimpuls. Da kann Armin Wolf noch so gute Fragen stellen. Seine Lieblingsbemerkung Das war nicht meine Frage charakterisiert eigentlich die meisten Interviews. Politik, das ist heute Marketing in großem Stil. Verschleierung. Viele Worte, um nichts zu sagen. Schöne Verpackung. Und eigentlich auch ein Beweis, das Marketing doch viel geleistet hat. Leider.

Dort ist Greenwashing gerade Thema Nummer eins. Jedes Produkt ist plötzlich irre gut für die Umwelt. Verbraucht weniger Treibhausgase. Dass dann dafür zumeist anderer Dreck anfällt, wird vornehm verschwiegen.
Der Marketingsprech funktioniert auch in der Politik. Und zwar bestens. Ein Blick in die EU Kommission zeigt, worum es geht. Nachdem Ursula von der Leyen aus Deutschland endlich, wie dort viele meinten, in die Kommission weggelobt wurde, gibt es nun so manche merkwürdige Bezeichnung. Etwa einen Kommissar für Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen. Beschrieben wird das Ding so: Den Menschen und den Unternehmen in der EU geht es nur dann gut, wenn sich die Wirtschaft in ihren Dienst stellt. Nicht ganz schlüssig, da Unternehmen wohl zur Wirtschaft gehören. In Wirklichkeit geht es aber um die Kapitalmarkt- und Währungsunion. Als besonders kreative Bezeichnung gilt mittlerweile der Kommissar für die Förderung unserer Europäischen Lebensweise. Womit der Abwehrkampf gegen Flüchtlinge jeder Art gemeint ist. Die Bezeichnung geht mir aber auch auf den Geist, weil sie suggeriert, dass es nur eine europäische Lebensweise gibt. Ein typisch rechtes Bild.
Nun, was Europa kann, kann Österreich schon lange. Schließlich sind wir Vorreiter. Das zum Beispiel ist ein Marketingschmäh, der nun schon seit Jahrzehnten funktioniert. Egal, welche Farben gerade regieren. Im Herumschwurbeln allerdings haben es die Regierungen Kurz tatsächlich zu neuen Höchstständen gebracht. Etwa Karoline Edtstadler, Kurz' Expertin für Eh Alles, beim ZIB2 Interview. Auf die Frage Wolfs, welches denn die wichtigsten zwei, drei Punkte seien, in der sich die jetzige Regierung in der Europapolitik von der Vorgängerin unterscheiden würde, folgt als Antwort „Ich brenne für Europa“. Hmmm? Darauf folgt das übliche Geschwurbel, das man nun schon seit Jahren hört. Zweiter Versuch von Wolf. Antwort: Es gibt einen Pro-Europäischen Kurs. Aha. Über Österreichs Vorschläge hört man nichts, alte Wahlkampfslogans werden wiederholt. Schlaftablette und nichts ernst zu nehmendes dabei.
Aber das ist eben Kanzlerlinie. Der mischt schon mal beim Visegrad-Treffen mit. Und wiederholt die Schlagworte: Grenzschutz, gegen Schlepper, Österreichs Linie setzt sich durch und Replay Taste. Irgendein Wort zur Lösung? Ach ja: Hilfe vor Ort. Das ist schön. Das habe ich schon zu meiner Schulzeit gehört. Bis jetzt hat dem Slogan aber noch niemand Taten folgen lassen. Außer, es springt etwas dabei heraus. Und zwar Geld, um konkret zu werden.
Auch Kurz macht da keine Ausnahme. Der setzt sich lieber in den Mainstream und kürzt als Außenminister die Beiträge für die UNO-Flüchtlingshilfe. Nach dem Vorbild der USA. Ein Auslöser der so genannten Flüchtlingskrise. Jetzt spricht derselbe von Hilfe vor Ort. Klingt mehr wie die Umschreibung von Ausbildung von Grenzsoldaten, wie es in Libyen ja so prächtig funktionierte.
Noch besser mit Worten abarbeiten kann man sich beim Klimaschutz. Da hat sich die EU wieder hervorgetan. Mit dem 1 Billion Euro-Programm. Das klingt schon super. Von der EU werden allerdings nur 7,5 Mrd. Euro bereitgestellt. Der Rest soll von Finanzierungen aus den Mitgliedstaaten kommen oder über die Investitionsbank. Auf den Hunderter fehlt da noch einiges.
Unter die Maßnahmen fallen übrigens auch Strukturhilfen für Regionen, die heute noch von der Kohleindustrie leben. Man stelle sich vor, man hätte uns die Umgestaltung des Ruhrpotts als EU-Klimaschutzmaßnahme verkauft. Einiges an Etikettenschwindel, will mir scheinen.
Eine Klimaschutzstrategie gibt es auch in Österreich. Einziger Erfolg bisher: Die voest drehte einen Hochofen ab. Die dadurch gesunkenen CO2-Werte wurden sogleich vom Kabinett Kurz als Ergebnis der vorausblickenden Politik bewertet. Mittlerweile sind wir wieder in der Realität angekommen: Das selbst gesetzte Ziel wird meilenweit verfehlt. Also werden nun Nägel mit Köpfen gemacht: kürzere Umweltverträglichkeitsprüfungen etwa. Ermöglicht durch das Standortgesetz. Der Aufschrei kommt - nicht von den Grünen, sondern – von der EU, erstaunlicherweise. Die strengte ein Vertragsverletzungsverfahren an. Da die österreichischen Standards nicht denen der EU genügen. Im Regierungsabkommen ist kein strengeres Gesetz vorgesehen. Dafür Klima-Bonds, in die Private investieren können. Wahrscheinlich ebenso ergiebig wie die dritte Säule. Sie wissen, die private Pensionsvorsorge.
Und wenn ich schon bei Etikettenschwindel bin: Liebe EU-Institutionen und viele Mitgliedsstaaten: Hört doch auf, so zu tun, als würde euch stören, was die Ungarn machen. Grenzzaun, bashen auf Ausländer, Kontrolle über Medien – zumindest zwei von den drei Dingen haben wir ihnen nachgemacht. Das Dritte haben wir eben noch nicht geschafft.
Ebenso könnt ihr Euch sparen, über die Türkei herzuziehen. Die Kurden wurden von der EU ebenso verraten wie von den USA. Türkei überfällt einen Nachbarstaat? Ein bisschen Du-Du – und dann folgen schon Vorschläge, wie man das am besten kaschieren könnte. Mit einer UNO-Schutzzone etwa, wie die neue Waffe Deutschlands, AKK, vorschlug. Zum Drüberstreuen übrigens gibt’s jetzt für die Türkei dafür Geld, dass im besetzten Gebiet Wohnungen für in der Türkei befindliche Flüchtlinge gebaut werden. Von der EU.
Da lob ich mir Kickl. Wie wir in dem einen Jahr, als der Mann Innenminister war, lernten, ist er keineswegs das geniale Hirn, das sich blöde Reime fürs Volk ausdenkt. Nein, er ist nur ein verbissener Rechtsextremer, der an das glaubt, was er sagt.