Work in progress: Wenn wir Blümel nicht hätten Schreenshot
01 Okt
geschrieben von 

Work in progress: Wenn wir Blümel nicht hätten

Der türkise Spitzenkandidat setzt mit „originellen“ Forderungen und Aktionen die Duftnoten in diesem Wahlkampf. Was kommt als nächstes? EIN LETZTES  UPDATE - UND SCHLUSS JETZT!

Im Prinzip verläuft der Wiener Wahlkampf ja fast enttäuschend zahm. Der ziemlich besonnene Bürgermeister Michael Ludwig lehnt sich nicht weit aus dem Fenster - und warum sollte er auch?! Die Herausforderung durch den freiheitlichen Spitzenkandidaten Dominik Nepp mit den immergleichen blauen Stehsätzen ist substanziell unter der Wahrnehmungsgrenze, Birgit Hebein, naja, und an den NEOS ist maximal lustig, dass sie mit einem Begriff werben, den man bei der FPÖ nicht einmal buchstabieren kann („Weltoffenheit“).

Wie gut, dass es Gernot Blümel gilt.

Der Mann hat augenscheinlich ein Faible für treffende Metaphern. Instinktsicher fordert er den Nikolaus für Wiener Kindergärten. Also eine Symbolfigur, deren historisches Vorbild sich durch Hilfe für die Armen ausgezeichnet hat.
Dann stellt er ein Image-Video auf seinen Facebook-Account, in dem er fordert, „Wien wieder nach vorne zu bringen“. Ja wohin denn noch?, könnte man fragen, wenn Wien doch eh Jahr für Jahr die einschlägigen Erhebungen nach der Stadt mit der höchsten Lebensqualitität anführt. Ah - es geht um Integration und Parallelgesellschaften. Herr im eigenen - idealerweise türkis gestrichenen - Haus sein, sozusagen, das ist damit (so in etwa) gemeint.
Stänkerer gibt´s natürlich immer. Auch solche, die meinen, gerade bei Verdiensten um die Stadt Wien solle die ÖVP lieber schweigen. Die nicht verstehen, worauf sich dieses „wieder“ bezieht - etwa auf die Zeit, da Wien noch nicht von „den Roten“ regiert wurde? Der Schriftsteller und durchaus nicht unpopulistische Essayist Robert Menasse fragte Solches laut bzw. auf Facebook in einem Kommentar zu Blümels Video. Blümel - bzw. sein FB-Team - hat dieses Posting sofort gelöscht.
Nun hat das Internet halt so seine Auftriebskräfte und holt gerne einmal wieder an die Oberfläche, was in seinen Tiefen versenkt wurde. So ist auch Menasses Kommentar wieder aufgetaucht und hat längst die Runde durch die Sozialen und auch herkömmlichen Medien gemacht - hier ist einer von vielen Links zu seiner vollständigen Wiedergabe.
Kurz zusammengefasst, erinnert Menasse den VPler Blümel daran, dass alles, was Wien heute lebenswert mache, von der ÖVP teilweise heftig torpediert worden war: Sozialer Wohnbau und Gemeindebauten, Fußgängerzonen, die Donauinsel, die UNO-City, das Konferenz-Zentrum. „Sie, als Vertreter einer Partei, die, zum Glück erfolglos, die Entwicklung Wiens zu einer lebenswerten und bunten Metropole bekämpft hat, wollen Wien in ein „vorne“ bringen, das Sie selbst nicht genauer definieren können, das aber nach allen Erfahrungen mit Ihrer Partei näher beim Mittelalter ist als bei den Bedürfnissen der Zeitgenossen. Als Finanzminister wurden Sie auffällig als einer, der sechs Nullen vergisst. Dann waren Sie nicht imstande, ein EU-Formular korrekt auszufüllen. Ich empfehle Ihnen zu schweigen“, schließt Menasse.
Was komisch ist: Auf Blümels eigener Facebook-Fan-Seite sammelt sich unter dem strittigen Image-Video Spott und Hohn. Auf Twitter sowieso. Selbst die Krone (!!) titelt von einem „Eigentor für Wiener ÖVP".

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Wie man weiß, rechtfertigt  Blümels Wahlkampf-Team die Löschung des Menassse-Postings mit dem Argument, man eliminiere alles mit Hitler-Bezug.  Einen solchen sah man  in Menasses Frage „Meinen Sie Zeit VOR dem roten Wien, als die Stadt einen antisemitischen Bürgermeister hatte, von dem Hitler lernte?“ gegeben. In der ORF-„Pressestunde" vom Sonntag setzte Blümel, so gut wie unbeeinträchtigt von Hans Bürger (ORF) und Johanna Hager (Kurier), einen drauf, indem er Menasse assoziativ mit Nazis in Verbindung brachte. „Ich weiß schon, dass er es nicht so meint“, sagte er gönnerhaft. 

„Blümels Reaktion" kommentiert Armin Thurnher heute in der „Seuchenkolumne“ des Falter, „offenbart den bösen Willen zu Praktiken von Trump’schem Format, indem man einfach lügt, dass sich die Balken biegen und hofft, damit durchzukommen." Was den Kurier angeht, der in Form eines Kommentars Rudolf Mitlöhners scharf gegen Menasse Stellung bezieht, ist das auch perfekt gelungen. Bei anderen Teilen der publizistischen Prominenz in diesem Lande hat´s freilich mit dem Umschreiben der Realität noch nicht so ganz geklappt. 

Im Standard äußert sich Menasse zur Causa. „Dass Gernot Blümel mir NS-Gedankengut unterstellt und seine Unterstützer das Gelöschte absichtsvoll und perfid uminterpretieren, finde ich unverfroren." Und: „Wenn Blümel mir NS-Gedankengut unterstellt, fordere ich ihn auf, mir das zu beweisen. Sicher beweisbar ist seine Nähe zum FPÖ-Gedankengut."

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Wie gesagt: Einen gewissen Unterhaltungsfaktor kann man Gernot Blümel nicht absprechen. Schauen wir, was der Mann, der vor einem Jahr (ebenfalls zu Wahlkampfzwecken) unter dem Motto „Grüß Gernot“ durch die Lande getourt ist, noch alles im Köcher hat. Geradezu zwingend bietet sich die Forderung nach Einkommensgerechtigkeit für bedürftige Wiener an. Nun leben ja die großzügigsten ÖVP-Unterstützer und -Spender - Heidi Horten, Klaus Ortner, Stefan Pierer, Rene Benko & Co. - außerhalb der Bundeshauptstadt. Aber auch hier freuen sich ein paar notleidende Immobilienentwickler, Bankmanager und Industriebosse gewiss über politischen Rückhalt und finanzielle Hilfe. Und Wolfgang Fellner hätt’ auch gern was.

UNSER TÄGLICHES UPDATE: Bei Corinna Milborn hat sich GB als Anhänger Søren Kierkegaard „geoutet".  Seine Affinität für den Vorläufer der Existenzphilosophie passt ungefähr so gut zu seiner öffentlichen Persona wie das Thema seiner Dissertation von 2009: „Der Personenbegriff in der Christlichen Soziallehre und -philosophie unter der besonderen Berücksichtigung von Vogelsang, Lugmayer und Messner". Derweilen wird auf Twitter über GBs Sex-Appeal diskutiert: 

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Hier ein kleines Kontrastprogramm: Nicola Werdenigg erachtet GB „für halbwegs vernünftige Leute" als „unwählbar"; unverdrossen hält indes die Generalsekretärin der Jungen ÖVP - ähnlich „originell", wie sie sich schon bei der Nikolaus-Debatte in Szene gesetzt hat - den türkisen „Uns Gernot"-Kult am Laufen.

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Was ist noch hinzuzufügen? Naja, Zweifel, ob GB seinen Herrn und Gebieter wirklich so gut kennt, wie er uns glauben machen will.

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Und dann gäb´s da noch eine historische Errungenschaft: 

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Was auch immer Thema ist: Der Mann wird weiter liefern. Blümel, wir zählen auf sie!

Jetzt aber: DECKEL DRAUF!