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15 Jun
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Fast die Hälfte Fake Follower...

… sind unter den fast 400.000, die Kanzler Kurz auf Twitter folgen, behauptet eine extrem rechte Wochenzeitschrift. Weitere erstaunliche Fakten kommen zutage, wenn man die österreichische Twitteria genauer unter die Lupe nimmt.

 

Während die liberal und sozial gesinnten Kräfte in Österreich sehr schonend mit ihm umgehen, setzt es für Bundeskanzler Sebastian Kurz just von noch weiter rechts als er selbst steht, die eine oder andere Breitseite. So hat ihn jetzt die oberösterreichische Zeitschrift Wochenblick in die Mangel genommen, weil von seinen 399.508 Followern auf Twitter nicht weniger als 186.171 unecht sein sollen: Nutzerkonten, die entweder Spam, Bots, Propaganda-Kanäle oder inaktiv sind. Fake Follower.
Während es nicht so besonders überrascht, dass Kurz auch bei seiner Social Media-Präsenz im Sinne imposanter Außenwirkung nichts dem Zufall überlässt - und sich wohl auch unter seinen angeblich 943.777 Facebook-Fans manch lebloses Objekt versteckt - lohnt sich ein Blick auf die grundsätzliche Situation von Twitter in Österreich. Der Social Media Report der Welser Online-Agentur Artworx ist da recht aufschlussreich. Auch wenn die hier ausgewiesenen Zahlen offensichtlich der Realität mit einigem Respektabstand hinterherhinken, ermöglicht er Einblicke in Größenverhältnisse und Nutzerstrukturen.
In den USA fast auf gleicher Höhe mit Facebook und Instagram agierend, ist Twitter in Österreich ein absolutes Nischenprodukt und mit schätzungsweise um die 160.000 User bzw. 2 Prozent Marktanteil das mit Abstand kleinste aller Sozialen Netzwerke, das wahrscheinlich deswegen unverhältnismäßig größer wirkt, weil es die liebste Spielweise der Journalisten und anderer einflussreicher Meinungsmacher ist. Zum Vergleich: Facebook erreicht laut Artworx 3,9 Millionen (44 Prozent) Österreicher, Instagram 2,4 Mio / 28 Prozent; Youtube nutzen 5,8 bzw. 66 %. Und mehr als 6,3 Mio. verwenden die WhatsApp, das auf 88 Prozent aller Smartphones installiert ist.  Aber selbst Arbeits-Netzwerke wie LinkedIn (1,4 Mio) und Xing (1,39 Mio) liegen mit einem Marktanteil von je 16 Prozent noch klar vor Twitter.
Der Kurznachrichtendienst ist „jünger“ als man gemeinhin annimmt - 55 Prozent seiner User liegen im Altersbereich zwischen 20 und 40 Jahren. Der meistgefolgte Account in Österreich gehört keiner Person, sondern dem 802.000 Fans schwerem Streamingdienst Netflix. Der populärste Twitterant aus Fleischund Blut ist verblüffenderweise der selbst bei Insidern nur mäßig bekannte Rockmusiker und Maler Peter Box, Leader der Band Radiotabu, mit sagenhaften 686.000 Followern. Ihm folgt der in Wien geborene Schauspiel-Star Boris Kodjoe mit 565.000 Followern; PopArt-Künstlerin Tanja Playner komplettiert mit 545.000 Followern das menschliche österreichische Twitter-Podium. Für Armin Wolf, dem 433.000 Menschen folgen, bleibt nur der undankbare vierte Platz; über 200.000 Fans trennen Wolf von der fünftplatzierten Ingrid Thurnher (212.000).
Vor diesen Relationen nehmen sich die angeblich fast 400.000 Follower für Sebastian Kurz nicht mehr so dramatisch aus. Er ist damit aber mit Abstand der populärste österreichische Politiker und würde selbst ohne die mutmaßlichen Fake Follower den zweitplatzierten HBP Alexander Van der Bellen (176.000) in den Schatten stellen.
Vermutlich durch einen Software-Fehler findet sich auf Platz 3 der konservative französische Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin. Sein Twitter-Profil weist 173.000 Anhänger aus - 171.000 davon hätte er laut Artworx in Österreich - ein offensichtlicher Unsinn. Platz 4 in dieser Wertung dürfte dagegen, so seltsam es auch anmuten mag, stimmen: Der politisch gar nicht mehr aktive Christian Kern hält bei mittlerweile fast 113.000 Followern. Der 5. Rang, den Artworx EU-Kommissar Johannes Hahn mit 74.000 Followern zuweist, ist dagegen ganz sicher falsch: NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter hält nämlich bei 88.000 Followern.
Alle anderen Volksvertreter schrumpfen, wie BranchenBlatt anhand eigener Checks und Vergleiche bestätigen kann, sehr schnell zu Zwergengröße: Hinter Werner Kogler (50.548 Follower)und Sigi Maurer (37.500), Norbert Hofer (25.466)und Rudi Anschober (25.350)grassiert die Armut - ob sie nun Elisabeth Köstinger (15.000), Gernot Blümel (11.300) Karoline Edtstadler (7.500)oder Harald Mahrer (189 Follower) heimsucht.
Rechte Politiker spielen mit der bedingten Ausnahme Hofers auf Twitter keine Rolle - das ist nicht ihr Netzwerk. HC Strache, der erst seit Oktober 2019 dabei ist, hält bei 5300 Followern und bekommt viel stärkeren Gegenwind als bei seinen Facebook-Postings. Und generell tun sich Politiker mit diesem Instrument recht schwer: Ihre steife, Message-Control-bewährte, zumeist nichtssagende Diktion passt einfach nicht zu den oft lebhaften Auseinandersetzungen, die sich just an ihren Taten, Verordnungen und Aussprüchen entzünden.