Das kam gar nicht gut: Influencerin Sarah Harrison schwärmt vom Leben in Dubai. Hier unter dem riesigen Aquarium im Burj Khalifa Das kam gar nicht gut: Influencerin Sarah Harrison schwärmt vom Leben in Dubai. Hier unter dem riesigen Aquarium im Burj Khalifa Screenshots
23 Mär
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Was jetzt, Influencer?

Die verordnete Isolation bereitetet den Ärmsten spürbar Schwierigkeiten. Wie sollen sie uns jetzt verklickern, was wir anziehen, essen, trainieren, erleben, genießen müssen?

Flugzeuge, Laufstege, malerische Strände. Kraftkammer. Exklusive Restaurants und Luxus-Hotels. Das sind so ungefähr die Settings, die man mit Influencern assoziiert: Jene meist gutaussehenden, schicken Menschen, die auf YouTube, Instagram & Co vorführen, welche Klamotten man zu tragen hat, wo man urlaubt, wie und in welchem Fitness-Club man den Körper stählt, wo man absteigt und wohin man dinieren geht, um - ja was? Egal.

Irgendwie blöd, wenn man jetzt zu Hause bleiben muss oder sollte. Damit wollte sich die deutsche Lifestyle-Vloggerin Sarah Harrison (2,4 Mio Instagram-Follower) nicht abfinden und reiste mit Kind und Mann nach Dubai, um einen Disney-Streamingdienst zu bewerben. Und erlebte geradezu einen Kultur-Clash: „Bayern ist komplett zu, da wo wir wohnen. Alle Bars, Restaurants, Schulen, Fitnessstudios, einfach alles. Hier in Dubai darf man noch rausgehen, man darf an den Strand gehen, man darf spazieren gehen, man kann im Sand spielen. Hier hat man einfach wesentlich mehr Freiheit. Deshalb überlegt man einfach Fünfmal*, ob man hierbleiben soll“, ließ sie ihre Gefolgschaft in den Sozialen Medien wissen.

Komischerweise reagierte diese nicht so besonders enthusiastisch. Als sich dann auch noch der Comedian Oliver Pocher (dessen Frau an Covid-19 erkrankt ist) der Sache satirisch annahm, schwante selbst den Harrisons, es sei Zeit für den Rückzug (sprich: die Heimreise nach Bayern). Seither bewerben sie Häuslichkeit und „positives Denken“ (was sich derzeit freilich rein sprachlich auch ein bisschen eigenartig ausnimmt). seychellenÜbrigens kratzen auch das österreichische Fitness-Model Stephanie Davis keine kleinlichen Bedenken wegen blöder Optik, die in Zeiten wie diesen eine ferne Destination Marke Traumlandschaft abgeben kann: Die laut der Influencer-Datenbank Likeometer knapp 1,2 Millionen Follower schwere Klagenfurterin, vierterfolgreichste unter Österreichs Influencern, posiert noch am 21. März im Bikini auf den Seychellen.

 
Rat- und planlos

Gewiss, solche jenseitigen Verhaltes- und Präsentationsweisen sind selbst unter Influencern eher die Ausnahme. Bei deren meisten ist die Realität durchaus vollinhaltlich angekommen. Aber genau darum lassen sie auch eine veritable Rat- und Planlosigkeit im Umgang mit der Krise merken. Denn was tun? High Life verbieten die Verordnungen und der gute Geschmack - aber Nachdenklichkeit passt auch nicht wirklich zu ihrer Zunft. Beziehungsweise: ist ein Luxus, der mit den geistigen Ressourcen der Protagonisten nicht angemessen beglichen werden kann. „Gedanken die einen (sic!) durch den Kopf gehen, Zeit die man plötzlich hat - gefühlt nie hatte... war sie immer da? Oder ist es weil alles gerade still steht? Fällt der Druck weil andere Dinge Rolle (sic!) spielen und wieder mehr Bedeutung bekommen? Ist es weil wir Zeit wieder mehr schätzen lernen und alle gerade aufladen für das was noch in unserem Leben auf uns zukommt. Ich fahre gefühlt 300 auf meiner Autobahn - täglich - im Moment mache ich einen Zwischenstopp um Luft zu holen und den noch so kleinen Moment festzuhalten. Den (sic!) der noch so kleine Moment im Leben kann alles verändern. Merkt euch das ...Über was denkt ihr nach ?“ postet Lisa-Marie Schiffner, die Fashion-, Lifestyle- und Beauty-Produkte promotet und mit mehr als 1,2 Millionen Followern auf Instagram die reichweitenstärkste Frau unter Österreichs Influencern ist. Gut, sie ist erst 18. Der populärste österreichische Influencer, Johannes Bartl, der fast 2 Millionen Follower hat und wie Arnold Schwarzenegger in den USA sein Geld mit seinem Körper verdient (eigentlich wollte er Schauspieler werden bzw. will es immer noch), demonstriert nun auf Instagram Fitness-Übungen, für die keine Geräte nötig sind. Ansonsten lässt er Corona ziemlich außen vor. Der zweiterfolgreichste österreichische Instagrammer, der Rapper und Selbstdarsteller KsFreak (1,4 Mio Follower), sorgt sich um die werte Figur: „Bekomme langsam wieder Speckpack hier in Quarantäne…“ Weiters schenkt auch er dem Virus keine Beachtung. Das Grazer Beauty-Blogger- und -Vlogger-Duo ViktoriaSarina, das es auch noch auf eine Millionen Instagram-Follower bringt, hat seit 14. März erst gar nichts mehr gepostet. Tatjana Catic, österreichische Fashion-Bloggerin in London, hält dagegen mit ernsten Gesicht einen „Stay at home“-Karton in die Kamera.

waldDiesen Appell hat auch ihre Kollegin Tina Neumann (über 700.000 Follower) vor drei Tagen auf Instagram gepostet. Einen Tag später allerdings zeigte sie sich - insbesondere angesichts der Außentemperaturen - luftig bekleidet in waldiger Umgebung. „Bleib doch bitte einfach Zuhause ich mein das nicht böse aber es ist besser für uns alle so“, kommentiert eine Userin den fragwürdigen Ausflug in die Natur.

 

*Zur Orthographie Frau Harrisons beachten Sie bitte auch unsere Rubrik Die rEchtschreibung ist ein Hund und Grammatik für die Katz