„Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben" sagte gestern Abend im Presseclub Concordia Mic Hirschbrich außerhalb des regulären Veranstaltungsteils zum Autor dieser Zeilen.
Mic Hirschbrich ist, wie das so schön heißt, einer der führenden österreichischen Digitalisierungsexperten und ein Early Adopter der Künstlichen Intelligenz (KI). Um deren mögliche Auswirkungen auf die journalistische Arbeit - die beizeiten in den düstersten Farben gemalt werden - ging es gestern in einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Julia Ortner; Hirschbrich, CEO des Software-Unternehmens Apollo.AI (Nomen!!!) war dazu ebenso als hochkarätiger Experte* geladen wie Colin Porlezza, Professor für Digitaljournalismus, Università della Svizzera italiana, Frederik von Castell, Datenjournalist und Redaktionsleiter des renommierten Onlinemagazins Übermedien sowie Katharina Schell, die stellvertretende Chefredakteurin der APA und Vizepräsidentin des Presseclubs Concordia.
In der Debatte verlieh Hirschbrich der Erwartung Ausdruck, dass man ein neues Verhältnis zur KI finden werden müsse „als etwas, das Intelligenz zumindest neuronal simuliert - ob sie im Sinne eines Neurologen menschlicher Intelligenz wirklich nahekommt, ist mir persönlich egal, denn ich messe sie an den Ergebnissen, die sie liefert."
Seitens der journalistischen Branche und ihres Umfelds ist der Zugang zur KI zwiespältig: Geschäftsführungen und Controller kalkulieren bereits mit leuchtenden Augen die Einsparungspotentiale, die sie (vermeintlich) eröffnet; sogenannte Medienexperten fürchten einen Wildwuchs von Fake News; Journalisten können sie sich als hilfreiches Tool bei der Arbeit vorstellen.
Die von viel Hype-Geschnatter begleitete erste KI-Welle durch ChatGPT ist damit nur bedingt gemeint. Schell, die in der APA schon mit Vorgängermodellen Bekanntschaft geschlossen hat, beschrieb ihre ersten Eindruck davon als „Mischung aus Themenverfehlung und großem Ärger"; Castell ortete, noch freundlich interpretiert, eine Diskrepanz zwischen dem Hype und der Realität. Wie KI missbraucht werden kann, schilderte er dann am Beispiel eines deutschen Klatschblattes, das mit einem vorgeblichen Interview mit Michael Schumacher prahlte und nur gut versteckt im Kleingedruckten informierte, dass das IV in Wahrheit mit einem KI-Bot, der Prominente nachahmt, geführt worden war.
Porlezza ließ in einer seiner Lehrveranstaltungen just ChatGPT erklären, warum es noch Journalisten braucht - die Antwort übrigens glich einem Marketingtext für Journalismus.
„KI wird, da bin ich mir sicher, Journalismus verändern", sagte er später. „Wie, das werden wir sehen. Das hängt wesentlich davon ab, wie die Journalisten* und die Redaktionen auf diese Technologie reagieren. Und wie sie diese einsetzen. Das benötigt allerdings Einsatz und Kompetenz und die Bereitschaft, an solchen Systemen mitwirken zu wollen. Das ist - Stichwort Zeit - nicht immer einfach."
„Wir praktizieren schon lang das Automatisieren von Texten auf Datenbasis" erzählte Schell. „Wir machen das bei Wahlen. Das sind sehr viele Texte an einem Abend, die müssen auch gut klingen - Geschichten, die wir erzählen mithilfe einer KI. Man muss aber wissen, wie man damit umgeht. Wenn jemand auf die Idee kommen würde, ChatGPD fragen zu wollen, was es über das Burger-Video weiß, dann hat diese Person rein gar keine Ahnung von ChatGPT!"
*weibliche Form mitgemeint