Edwar Strasser, Mitbegründer des Innovation In Politics Institute Edwar Strasser, Mitbegründer des Innovation In Politics Institute Jaschke
24 Okt
geschrieben von 

Wir brauchen eine neue DDR

Also sprach der Philosoph Anders Indset bei der Konferenz Arbeit braucht Zukunft in der Konerei in St. Pölten, dessen Bahnhof just an diesem Tag durch einen Stromausfall lahmgelegt wurde.

Der Anwaltsberuf ist in unseren Breiten der bestbezahlte nach dem Arzt. Es gibt Prognosen, die man je nach Dafürhalten für Spekulationen, Visionen, Utopien oder Dystopien halten kann, denenzufolge bis zu 95 Prozent dieses Berufs in Zukunft von Künstlicher Intelligenz übernommen wird. Der einstmals zukunftssichere Beruf des Maschinenschlossers wird in zwei, drei Jahren ausgestorben sein. In noch etwas fernerer, aber absehbarer Zukunft werden LKW-Lenker überflüssig sein. Ziemlich offensichtlich stehen wir vor massiven Änderungen in der Arbeitswelt oder haben sie bereits. Wie ihnen begegnet werden kann (oder könnte), versuchte die Europäische Konferenz mit der Veranstaltung „Arbeit braucht Zukunft“ zu zeigen. Ausgerichtet wurde sie vom Innovation In Politics Institute, einem europäischen Netzwerk, das beispielhafte Initiativen in Politik und Wirtschaft öffentlich zu forcieren versucht und jährlich Politiker mit guten Ideen, Initiativen und Maßnahmen durch Awards - heuer am 4. Dezember in Berlin* - prämiert. Schauplatz der Konferenz war die  eine ehemalige Kunstseide-Fabrik, die bei Nordwind die ganze Stadt verstunken hat und 2008 nach einem Brand zu einer - imposanten, sehr weiträumigen - Veranstaltungshalle umgewidmet wurde. Dass just an diesem Mittwoch ein Stromausfall den Bahnhof St. Pölten für viele Stunden lahmlegt und mit dem Zug anreisende Teilnehmer zu abenteuerlichen Umwegen mit entsprechenden Verspätungen zwang, zeigte nebenher warnend, wie sensibel die Segnungen des Fortschritts sein können.

Initiativen & Ideen

Edward Strasser, landläufig als Partner der PR-Agentur The Skills Group bekannt, aber auch Mitbegründer des Innovation In Politics Institute, führte durch die Veranstaltung, die die Themenlage anhand von Good-Practice-Beispielen und Plenumsgesprächen veranschaulichte und erörterte. Der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl (SPÖ) übernahm die Schirmherrschaft: „Der Grund, warum ich in die Politik gegangen bin, ist irgendwo in dieser Veranstaltung manifest.“

Verschiedene Initiativen wurden vorgestellt, Thesen diskutiert, Vorträge gehalten: Das sogenannte Preston-Modell, basierend auf einer englischen Kleinstadt, die 2008 mit regionalen und sozialen Maßnahmen erfolgreich der Wirtschaftskrise getrotzt hatte. Eine kooperative Plattform aus Polen zum Klimawandel. Wie Start-ups gefördert werden müssten. Was Arbeitgeber attraktiv macht. Die Entgrenzung der Arbeitswelt.
Aufgelockert wurde die recht sympathische, kompetent organisierte Veranstaltung durch virtuose Einlagen der Pianistin Clara Frühstück auf einem „selbstspielenden“ Klavier. Am Abend erreichte dann die Konferenz mit dem Vortrag des norwegischen „Wirtschaftsphilosophen“, Ex-Handballers und Handelsblatt-Kolumnisten Anders Indset ihren Höhepunkt. Der routiniert unkonventionell Marke Querdenker auftretende Indset formulierte viele griffige Schlagwörter und Catch Phrases wie die von einer Algorithokratie“ in China, des „Attentionalism“ als unbedingter Anforderung in der heutigen Arbeitswelt oder eines Kommunismus, der nie ein wirklicher solcher gewesen sei, sondern ein „Sozialismus mit Massenmördern“. Er erklärte, dass Frauen alles besser machen als Männer, sieht wegen der Tendenz zu Metropolregionen Bürgermeister als die neuen politischen Machhaber - in dieses Horn schlugen übrigens auch andere Experten - und proklamierte: „Wir brauchen eine neue DDR: eine Digitale Demokratische Republik“.
Indset war auch in der an- und abschließenden Diskussion dabei, ebenso Schirmherr Schnabl, der Physiker Werner Gruber und die ehemalige FDP-EU-Abgeordnete und Entrepreneurin Nadja Hirsch. Dabei ortete er als ein Problem in Europa die Sprechbarrieren: Wenn ich in Frankreich oder Italien auftrete, dann sprechen die dort kein Englisch. Einigen wir uns auf eine Sprache, dass die Menschen miteinander reden können. Von mir aus kann das auch ,urleiwand’ oder ,servus’ sein“.

* Österreichische Nominierte sind der Grazer Stadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP), der Grazer Bürgermeister Siegried Nagl (ÖVP), der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) und die Salzburger Landesrätin Maria Hutter (ÖVP)