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01 Mai
geschrieben von 

Sag´s mit Bud

Das iab austria veranstaltete mit Unterstützung des US-Bierherstellers eine Videodiskussion über Home Office, Marketing und die Arbeitsmarktsituation im Zeichen von Corona.

Wir sind froh, wenn Home office vorbei ist. Was sich immer stärker als Meinungs-Mainstream in den Sozialen Medien herausstellt, war auch der Tenor beim sogenannten Digi Talk des interactive advertising bureau (iab) austria am Donnerstag, bei dem Thomas Meyer, Geschäftsführer der Social Media-Agentur Büro für Interaktion, APA-Marketingleiterin Barbara Rauchwarter, Millad Shahini, Teamleiter Digital Advertising bei Billa und Martin Wolfram, GF der Videoagentur News on Video in der Moderation von iab-Vizepräsidentin Cosima Serban die möglichen Veränderungen der Coronakrise für die Werbe- und Kommunikationsbranche erörterten und diskutierten.

Weil das Ganze vom (amerikanischen) Bierhersteller Budweiser gesponsert wurde, bekam jeder Teilnehmer, sofern die Zustellung klappte (was es bei BranchenBlatt nicht tat), einen Sixpack vor die Haustür geliefert, auf dass man sich virtuell zuprosten und realphysisch trinken konnte. Übrigens: einer hat, sofern wir richtig beobachtet haben, geschummelt. Er hat zwar Bier getrunken, aber kein Bud. Irgendwie verständlich.

Bullshit-Inszenierungen ade

Lediglich Wolfram konnte dem Home-Office-Arbeiten in den zurückliegenden Wochen, in denen via Zoom, Slack & Co kommuniziert wurde, viel abgewinnen - was vielleicht kein Wunder ist, schließlich wurde dadurch sein Metier enorm aufgewertet: „Was ich spannend finde, ist, wie selbstverständlich der Umgang mit Video geworden ist. Dadurch, dass Video in den Alltag einzieht, wird die Notwendigkeit zur Authentizität höher. Diese Bullshit-Inszenierungen, die wir aus dem Fernsehen kennen - Abgeordneter geht im Parlament von links nach rechts durch die Säulenhalle - funktionieren online nicht.“

Jedes Unternehmen, jede Agentur musste wegen Corona ihre Strategien adaptieren. Shahimi erklärte die Sicht des Marketers eines großen Konzerns: „Klar ist, dass klassische Kanäle wie Out of Home in den vergangenen Wochen etwas an Bedeutung verloren haben, einfach deswegen, weil die Reichweite draußen nicht vorhanden war. Bei uns war ganz klarer Lead-in-Kanal Social Media, Aufgabe war es, Push-Kommunikation zu tätigen und die Leute zu informieren statt zu unterhalten.“

Ein Unternehmen wie der APA, das per se nicht unbedingt das aufregendste Image genießt, blüht in Krisenzeiten auf. „Zu den extremsten Zeiten hatten nur der ORF und die APA Zugang zu Pressekonferenzen. Da hat man teilweise für die Kollegen von den Printmedien die Fragen mitgenommen“, erzählte Rauchwarter. „Wir haben natürlich von der Krise profitiert - aber es fragt sich immer, wie geht man marketingmäßig mit der Situation um? Bei uns waren extrem hohe Öffnungs-, Klick- und auch Responseraten bei ganz klassischen Newslettern und Mailings zu verzeichnen. Das hat sich definitiv auch im Umsatz niedergeschlagen. Social Media dagegen haben wir sogar etwas zurückgefahren - da lassen wir unseren Kunden den Vortritt. Was noch zu sagen ist: Wir haben einen sehr analogen Sales Prozess. Es klappt jetzt zwar auch ganz gut mit den diversen digitalen Möglichkeiten, aber es fordern gar nicht so wenige Kunden ein, man möge doch bitte wieder persönlich kommen. Ich merke bei unseren Kunden wenig Lust auf weitere Videokonferenzen.“

Die magische Grenze

Ein heikle Sache ist, da war sich die Runde einig, die Krise für Marketing zu instrumentalisieren. „Ich bin ein großer Fan der Idee, dass Unternehmen in der Kommunikation gesellschaftliche Verantwortung zeigen. ABER: Da gibt´s eine magische Grenze, die nicht überschritten werden darf. Marke XY darf, wenn sie nicht direkt betroffen ist, sich nicht anmaßen, über eine Pandemie zu urteilen“, meinte Meyer.
Als Beispiel, wie´s gehen kann, wurde die Felber-Werbung ins Treffen geführt. „Mir war der Clip zu überdrüber“ bekannte Wolfram, „Und es sah von der Qualität her aus, als hätte die Marketing-Ferialpraktikantin schnell mal das Handy zur Hand genommen. Ich konnte den Shitstorm der da aufgezogen ist, zu einem gewissen Grad verstehen. Aber wie Frau Felber mit diesem umgegangen ist, hat mir wirklich gut gefallen.“
„Ich habe den Shitstorm ehrlich gesagt nicht verstanden“, wandte Meyer ein. „Das war wieder einmal eine typische Reaktion dieser arroganten Twitter-Bubble, die wir in Österreich haben. Das war wieder einmal ein Zeichen, dass die digitale Elite in Österreich noch viel zu lernen hat, was Menschlichkeit und Tun betrifft.“
Ziemlich in Rage redeten sich Wolfram und Meyer, als es an die Arbeitsmarktperspektiven und die Bezahlung ging. „Was mich an der Krise am meisten anzipft ist, dass natürlich wieder einmal diejenigen am meisten verlieren, die sowieso schon nicht gut dran waren. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass es hauptsächlich darum geht, große Wirtschaftsunternehmen zu unterstützen, und dass die kleinen Leute auf der strecke bleiben. Das ist SCHRECKLICH. Entweder man tut wirklich etwas für die Leute, denen es jetzt schlecht geht, oder man schiebt den Konzernen die Kohle in den Arsch“, wetterte Wolfram.
Meyers Zorn entzündete sich am Lohndumping, das nicht nur seiner Meinung nach in Folge der Krise einsetzen wird. „Ich reiße mir seit Jahren den Arsch auf, um faire Gehälter in der Online-Marketing-Branche zu etablieren. Es regt mich so unfassbar auf, wenn große Unternehmen einen Online-Marketer für 1700 brutto ausschreiben. Da krieg ich Herzrasen. Eben bin ich auf ein Inserat eines österreichischen Traditionshotels gestossen, das für 1800 einen Head of Digital Marketing ausgeschrieben hat. Da raste ich aus. Das wertet unsere gesamte Branche ab, das wertet vor allem auch die Ausbildung ab.“