Digitalwerk CEO Michael Gattereder und Client Service Director Philipp Aschauer Digitalwerk CEO Michael Gattereder und Client Service Director Philipp Aschauer BranchenBlatt
09 Jan
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Die Brückenbauer

Still und leise ist Digitalwerk vom Kleinunternehmen zur Gruppe herangewachsen. Heute entwickelt man die Digitalstrategie großer Unternehmen.

BranchenBlatt sprach mit CEO Michael Gattereder und Client Service Director Philipp Aschauer über das neue Selbstverständnis der Digitalagenturen, die Lernfähigkeit der Kunden, die Suche nach den richtigen Werten und die Emotion analoger Medien.

 

BranchenBlatt: Herr Gattereder, Sie bezeichnen sich selbst als Digitalwerker mit analogem Herz. Was verstehen Sie darunter?
Michael Gattereder: Ich komme ja noch aus der alten Zeit, bin aufgewachsen mit Sony Walkman und Plattenspieler. Ich höre auch immer noch gerne Vinyl und umgebe mich mit Sachen aus der Old Economy. Da ist viel Emotion drin, die in der heutigen Zeit oft verloren geht.

BB: Hilft das, wenn man eine Digitalagentur führt?
Gattereder: Ja. Man muss eben über den Tellerrand blicken können. Es zählt nicht immer nur digital. Heute denken alle in Schubladen. Als Agentur muss man den Menschen vermitteln, dass nicht nur Google, Facebook, eine Website oder Performance-Marketing die Allheilmittel sind. Das orchestrale Zusammenspiel der Kanäle und Instrumente ist enorm wichtig. Als ich ein junger Online-Marketing Mensch war, fielen für mich immer nur die Reste des Budgets aus PR und Klassik ab. Das will ich jetzt vermeiden. Alle Kanäle sind wichtig. Das heißt aber auch – und wird mit unseren Kunden gelebt - dass wir als Digitale bereits zu einem frühen Termin mit am Tisch sitzen müssen, um Strategien zu besprechen.

BB: Herr Aschauer, Sie waren in Kanada, England und den USA. Jetzt zurück hier in Österreich: Ist der Unterschied zu den angloamerikanischen Ländern sehr groß?
Philipp Aschauer: Ich bin als Brexit-Flüchtling nach Hause zurückgekommen. Ich habe die Zeit im Ausland durchaus genossen, fühle mich aber in meiner Heimat pudelwohl. Der Unterschied ist: Der englischsprachige Markt bewegt sich sehr schnell. Da konnte ich schnell viel lernen. Dort sind sie uns circa drei bis vier Jahre voraus. Wenn man etwa in einen britischen Supermarkt geht, gibt’s in manchen Geschäften keine Kassiererinnen mehr. Da funktioniert alles mit Self Checkout. Einen großen Unterschied gibt es auch im Kundenkontakt. In Österreich ist alles ein bisschen förmlicher. Als Digitalwerk sind wir daher sehr um partnerschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe bestrebt. In England habe ich gelernt, wie wichtig das ist.

BB: Haben Sie auch analoge Liebhabereien aus der Vergangenheit?
Aschauer: Ich bin relativ schnell im Digitalen aufgewachsen. Habe mit 14 meine erste Website programmiert und meine ersten Kunden betreut.

AgenturBB: Ich habe gelesen, Digitalwerk arbeitet wie ein Schneider, der maßgefertigte Anzüge für seine Kunden näht. Wie kann man sich das genau vorstellen?
Gattereder: Wir leben heutzutage in einer Welt mit fertigen Tools, fertigen Wordpress-Templates und fertigen Bausteinen für die Websites. Das war nie unser Weg im Digitalwerk. Wir analysieren zuerst die Aufgabenstellung. Erst dann sagen und entscheiden wir, was macht Sinn macht oder eben nicht. Dann programmieren wir alles selbst in der Ditalwerk-Gruppe. So können wir uns darauf verlassen, dass das Ding keinen überflüssigen Ballast hat und dementsprechend perfomant ist. Denn: Lädt die Seite nicht innerhalb von drei bis vier Sekunden, verlieren wir 50 Prozent der User und werden zudem von Google organisch downgerankt.

BB: Wird es von den Kunden gut angenommen, wenn Sie als Digitalagentur schon frühzeitig ins Projekt einsteigen? Oder heißt es immer noch, hinten anstellen?
Gattereder: Wie gesagt, in früheren Zeiten ist man wirklich erst zum Schluss des Strategieprozesses drangekommen und hat mit den Überresten des Budgets arbeiten müssen. Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo man früh eingebunden wird. Das Schlagwort lautet Digital Transformation. Es ist eine Challenge. Das ist auch in Österreich angekommen. Wir im Digitalwerk sind der Ansicht, man muss von Anfang an dabei sein. Welcher Kanal der richtige ist, die Art zu denken und die Herangehensweisen sind einfach wichtiger geworden. Da sehen wir uns als eine Art Brückenbauer für die einzelnen Abteilungen. Marketing, Sales, Werbung. Das ist noch alles ein bisschen in Silos verhaftet. Dem User ist das aber egal. Und wir arbeiten hundertprozentig userzentriert.
Aschauer: Die Tische, an denen wir sitzen, sind teilweise sehr bunt. Neben uns sitzen Vertreter von Contentagentur und Markenagentur gemeinsam. Wichtig ist, dass man digital von Anfang an mitdenkt. Das ist der Mehrwert, den wir dem Kunden bringen. Worst Case ist, dass man eine fixfertige Idee vorgesetzt bekommt, das man nicht digital umsetzen kann kann. Etwa ein Logo, das im Quadrat nicht funktioniert oder eine Video Idee, die nur in traditionellen linarem TV funktioniert. Wir achten natürlich auf so etwas, damit die Idee oder Marke digital abheben kann.
Gattereder: Kreativität beinhaltet nicht nur die Idee selbst oder das Bild, sondern ist auch die perfekte Vernetzung von Marken-, Content- und Digitalagentur.

BB: Gibt es beim Erstellen eines Projektes noch die Werbeagentur, die als Lead-Agentur fungiert? Oder arbeitet man da partnerschaftlich?
Aschauer: Wir sind im digitalen Bereich oft als Lead Agentur tätig. Wenn wir zum Kunden gehen, nehmen wir bereits eine Wunschliste mit. Darauf stehen die Inhalte, die wir vom Kunden für unsere Arbeiten benötigen. Die Grundidee mag dann vielleicht von einer anderen Agentur kommen, aber wir übersetzen es ins Digitale. Die Touchpoints sind heutzutage hauptsächlich digital. Also übernehmen wir logischerweise die Führung mit dem Kunden.
Gattereder: Wir können derzeit zwei Strömungen beobachten. Entweder Unternehmen bauen eine Inhouse-Agentur auf und holen sich Experten dazu. Da fungieren wir oft als externe Berater. Oder sie lagern alles aus. Dann werden wir immer mehr auch zur Online-Marketingabteilung. B2B-Kunden tendieren mehr zu Inhouse-Agenturen, während B2C-Kunden viel mehr mit Externen arbeiten.

Bio Michael GatterederBB: Vielleicht sollten wir hier kurz zusammenfassen, was alles zum Portfolio von Digitalwerk gehört: Websiten-Erstellung, Digitalmarketing, Performance-Marketing …
Gattereder: Gestartet sind wir als reine Experten-Agentur, die sich auf Websites fokussiert war. Mit der Zeit kamen dann Social Media und Performancemarketing dazu. Wir bieten mittlerweile eine große Bandbreite inklusive hausinterner Video-Produktion an. Ein essenzieller Zweig ist das Consulting. Hier unterstützen wir Unternehmen bei der digitalen Transformation. Das Wichtigste ist, immer die Balance zwischen Digital Branding und darauf basierenden Kampagnen zu halten. Natürlich kommt es durchaus zu Verschiebungen in die eine oder andere Richtung. Manchmal gilt es, die Marke noch weiter aufzubauen oder zu stärken. Manchmal können wir unseren Fokus ausschließlich auf die Kampagnen-Kommunikation legen.

BB: Worin unterscheiden sich das Digitalwerk von anderen Digitalagenturen?
Gattereder: Wir starten immer mit der Strategieentwicklung und legen großen Wert auf das richtige Verhältnis zwischen Digital Branding und Kampagnen. Zudem sind wir stark vernetzt mit Google und anderen Kanälen. Diese Insights nutzen wir, um unseren Kunden zu zeigen, wie sie operieren müssen, um erfolgreich zu sein. Das ist etwas, was uns von anderen abhebt. Da braucht man eine gewisse Größe und ein gewisses Kampagnenvolumen. Das kann eine kleine Agentur oft nicht abdecken.

BB: Wie sehen Sie den Markt? Entwickeln sich Digitalagenturen analog zu klassischen Agenturen? Oder blicken Sie positiver in die Zukunft?
Gattereder: Natürlich sind wir konjunkturabhängig. Denn wo wird als erstes eingespart? Im Marketing. Ich blicke aber durchaus positiv in die Zukunft. Das Pendel schlägt momentan in Richtung digital. Wir sind auf Expansionskurs. Die Kombination aus Strategie, Performance und gutem Handwerk aus der Online Video Produktion sollte uns noch weitere Türen öffnen. Leider wird es mitunter auch zu einem Preiskampf. Da können wir oft nicht mithalten. Preisdumping geht immer auf die Qualität. Wir offerieren und verrechnen meistens nach Stundensatz. Das ist für Agentur und Kunde fair.
Wir verkaufen schließlich Werte und nicht nur ein Produkt. Und dieser Wert ist nicht nur die fertige Website. Es werden im Prozess ja oft bereits die nächsten strategischen Schritte erarbeitet, wohin die Reise in Zukunft geht.
Aschauer: Dazu kommt noch ein wesentlicher Punkt: Unser Erfolg ist messbar. Das unterscheidet uns von vielen Playern in der Marketing-Wertschöpfungskette Wenn 10 Euro investiert werden und 20 Euro zurückkommen, ist das ein messbarer Erfolg, den man mit dem Kunden teilt.
Gattereder: Unser Vorteil ist, dass wir alles im Haus haben. Dazu kommt, dass wir gleichzeitig in Talente in der Agentur investieren und wachsen müssen. Eine große Herausforderung ist derzeit das Recruiting-Thema. Es wird immer schwerer, neue und gute Mitarbeiter mit Know-how, Einsatz und Herzblut zu finden. Kollegen, die für die Sache brennen.

BB: Bilden sie auch selbst Mitarbeiter aus?
Gattereder: Ja. Uniabsolventen zum Beispiel bekommen bei uns einen Mentor zur Seite gestellt. Sie müssen ein Programm durchlaufen und reifen so in zwei Jahren zum Senior heran.
Aschauer: Das ist ein hohes Investment von unserer Seite. Das wissen wir, aber dieses Investment macht sich bezahlt. Jeder Mitarbeiter nimmt viel mit, weil er schnell lernt.

Robert Moick Michael GatterederBB: Wenn sie nach Stunden abrechnen, kommen Kunden da nicht auf die Idee, Meetings zu kürzen, oder die Zeit zu straffen?
Gattereder: Wir definieren bereits im Vorfeld einen Kosten-Korridor. Wir arbeiten agil und zeigen früh einen Prototyp, an dem man sehen kann, was wir vorhaben und fokusieren uns auf die Kernfunktionen.
Aschauer: So erkennen unsere Kunden unseren Wert und schätzen die intensive Zusammenarbeit.

BB: Haben die Kunden auch Digital gelernt? Oder wird man da noch mit Wünschen konfrontiert wie: Ich hätte gerne eine Website, einen Facebook-Account, einen Youtube-Auftritt …
Aschauer: Es passiert schon, dass man vom Kunden so einen Katalog vorgesetzt bekommt. Unsere Aufgabe ist aber dann, sofort zu analysieren, was das Ziel ist und welche Schritte für den Erfolg notwendig sind. Das ist unsere bewährte Arbeitsmethode. Anhand eines definierten Ziels zeichnen wir einen Weg, den wir in vordefinierten Etappen beschreiten.
Gattereder: Wir analysieren die Daten auf den vorhandenen Plattformen, erarbeiten den USP des Produktes und eine Zieldefinition. Das Zusammenspiel dieser drei Komponenten bestimmt dann den Weg, den wir als Digitalwerk mit unseren Kunden gehen.

BB: Gibt es einen großen Unterschied zwischen B2B-Kunden und B2C-Kunden?
Aschauer: Grundsätzlich sind Kundenbeziehungen im B2B-Bereich etwas förmlicher.
Gattereder: Aus wirtschaftlicher Sicht kann man sagen, dass man Neuerungen schneller im B2C-Bereich durchsetzen kann, dafür ist die Kundenbeziehung zu B2B-Kunden langfristiger und intensiver. Bei B2C-Kunden kommt vieles vom Mutterunternehmen. Da ist es dann unsere Aufgabe, die Kampagnen zu übersetzen und zu adaptieren.

BB: Gibt es da typische Fallen, wenn man Kampagnen anpassen muss?
Aschauer: Oft wird vergessen, dass Österreich nicht Deutschland ist. Größe und Volumen sind anders. Um im österreichischen Markt zu reüssieren, braucht es durchaus einen anderen Touch, Lokalspirit. Das muss man globalen Marken ein bisschen mehr vermitteln. Es ist ein kleiner Markt, wo man aber durchaus Dinge ausprobieren kann.

BB: Zeichnen sich neue Trends im Digitalbereich ab?
Aschauer. Der bedeutendste Trend ist, dass die Daten für digitales Marketing immer wichtiger werden. Leider auch immer teurer aufgrund der Cookie-Policy der EU. Zudem sehen Google und Apple die Daten ganz unterschiedlich. Dies macht es auch teurer. Ein weiterer Trend: Es geht wieder stärker in direkte Kundenbeziehungen. Früher haben viele überdurchschnittlich auf Social Media gesetzt. Jetzt sucht man wieder einen direkten Kanal. Etwa über Newsletter-Marketing oder Messenger-Services. Außerdem wird der Content komplett anders konsumiert. In Wirklichkeit bestimmt mittlerweile ein Algorithmus, wie der Content konsumiert wird. Auf Facebook kann man gegen Münzeinwurf Likes und Resultate erzeugen. Ansonsten bedarf es einiger neuer Ideen, um besser an den User heranzukommen.
Gattereder: In den letzten Jahren ging es vom Blog zum Online-Magazin. Von Paid Media zu Owned Media. Es ist wie in der Mode. Neues kommt, aber viel Altes bleibt bestehen oder kommt wieder zurück. Jetzt, wo Daten wieder teurer werden, ist Suchmaschinenoptimierung immer wichtiger. Durch die Vielzahl unserer Kunden und die Daten, die dahinterstehen, haben wir uns da schon viel Know-how angeeignet.

Bio Philipp AschauerBB: Was hat die EU-Cookie-Politik bei ihren Kunden ausgelöst?
Aschauer: Ein großes Fragezeichen und saftige Rechnungen ihrer Rechtsanwälte. Von unserer Seite aus wurden die Kunden proaktiv informiert.
Gattereder: Außerdem können wir bis zu 35 Prozent der Daten nicht mehr tracken. Schon zuvor hat uns die Datenschutzgrundverordnung beim Newsletter 70 Prozent der Adressen gekostet.
Aschauer: Es ist ein starker Shift im Markt, aber er ist für alle Player gleich.

BB: Im Bewegtbildbereich werden nun 6-Sekünder Bumper Ads propagiert. Die meisten Unternehmen spielen aber ihren TV-Spot auch online aus. Passt das zusammen?
Aschauer: Es bringt gar nichts, den TV-Spot ins Instagram Format hineinzuquetschen. Der TV Spot funktioniert nach der alten Dramaturgie-Storytelling-Methode: Einleitung, Hauptteil, Höhepunkt, Schluss.
Im Social Media Bereich muss man das aber umdrehen und die Aufmerksamkeit sofort ansprechen. Dafür bleiben nur zwei bis drei Sekunden. Sonst verliert man den User sofort.

BB: Was erwarten Sie vom kommenden Jahr?
Gattereder: Der Werbeindex geht von einem Plus von ca. vier Prozent aus – davon 50% digital, die Wachstumstreiber sind Social Media und Online Videos. Wir erwarten uns da etwas mehr. Immer mehr B2B-Unternehmen werden die digitale Transformation einleiten, neue Websites und neue Kampagnen brauchen. Ich bin auch sehr positiv bezüglich Neukundenaquisition. Wichtig ist der Mix: Digitalwerk hat Kunden aus der Automobilindustrie, Verpackungsindustrie, aus dem Food- und Leisurebereich oder ist in der Hospitality tätig. Dies ist immer auch ein Mehrwert für andere Kunden.

 

Digitalwerk ist seit 2011 eigentümergeführt und unabhängig. Schwerpunkt ist agile Markenkommunikation mit Fokus auf Online Marketing und webbasierten Lösungen mit Inhouse-Motion-Production. Zur Digitalwerk Gruppe gehören die Unternehmen Digitalwerk Wien, Digitalwerk Bratislava, DW Frames (Motion-Production) und die Wiener Performance Agentur Agencylife Wien. Derzeit werken über 50 Mitarbeiter in der Gruppe. Zu den Kunden von Digitalwerk zählen unter anderem KIA Motors Austria, Mayr-Melnhof Gruppe, Dominic Thiem, Semperit, BEHF Architekten, Vienna House oder die Michael Schumacher Website.