Aus Andy Warhol wird Mehrhol Aus Andy Warhol wird Mehrhol PKP BBDO
25 Jul
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Die Kunst der Werbung

BranchenBlatt befragt Werbetreibende über einen möglichen Einfluss der Kunst auf ihr Metier. Fotostrecke.

In großen Kunst-Events - Ausstellungseröffnungen, Kunstmessen, dergleichen - sieht man auffällig oft Größen aus der Werbeszene. Bei der Vienna Fair, bei Vernissagen im 21er Haus, dem Belvedere, MAK oder KHM begegnet man man schon mal beiläufig einem Jan Mariusz Demner, Alois „Luigi" Schober oder Rudi Kobza.

Sind Werbung und Kunst wesensverwandt? Sind Werber womöglich verkappte Künstler? Der Creative Club Austria (CCA) hat jedenfalls solches schon einmal suggeriert und 2010 eine Ausstellung mit Werken von Werbe-Kreativen (Bernhard Grafl, Art Director TBWA, Hannes Böker, Creative Brand Strategist bei Red Bull Global Consumer Products, Francesco Bestagno, DMB, Georg Feichtinger, CD Heimat Wien u.a.) veranstaltet.

Natürlich haben Kunst und Werbung einige Gemeinsamkeiten: Beide Sparten bedienen sich jenes eigentümlichen Gemenges aus Eingebung, Phantasie und Vision, das umgangssprachlich Kreativität genannt wird; beide versuchen, Aufmerksamkeit zu erregen, Menschen zu erreichen, Botschaften und/oder Aussagen zu vermitteln.

Die Unterscheide? Liegen im strukturellen/organisatorischen Bereich, sind aber eigentlich nicht krass:

Werbung hat Auftraggeber. Die kann Kunst auch haben.
Werbung MUSS, Kunst kann sich verkaufen.
Werbung muss sich fast zwingend mit der Tagesaktualität und dem Zeitgeist auseinandersetzen, aber das tut die Kunst - oft abstrahiert, verfremdet - auch gerne.

Viele Künstler sind schon für die Werbung tätig gewesen. Unbewusster Wegweiser dieser Entwicklung war Andy Warhol, der mit seiner Suppendosen-Serie die Umsätze des Herstellers Campbell in die Höhe trieb. Warhol war auch der erste, der für Absolut Vodka ein Kunstplakat gestaltete. Keith Haring, Damien Hirst, Louise Bourgeois, Kenny Scharf und viele andere sind seinem Beispiel gefolgt.

Roman Sindelar, PKP BBDO: Künstler mit klar zuordenbarer persönlicher Handschrift haben viel mit Werbung zu tun

RomanSindelarPortraitMBranchenblatt will dem Verhältnis österreichischer Werbetreibender zur Kunst auf den Grund gehen. Als erster äußert sich Roman Sindelar, Managing Partner und COO von PKP BBDO. Sindelar sieht durchaus Wesensverwandtschaften:
„Alle Künstler mit eindeutiger ihnen zuordenbarer Handschrift haben viel mit Werbung zu tun. Denn hier kommt eine klare Identity zum Vorschein. Etwas, was auch Unternehmen machen, wenn sie eine starke und klare Corporate Identity aufgebaut haben. Und eine rasche Zuordnung von Botschaften ist in der impulsgetriebenen Kommunikationslandschaft eine der wichtigsten Aufgaben. Das erfüllen beispielsweise die Bilder von Julian Opie. Sein künstlerischer Stil ist klar und ausgeprägt. Ein Stil, der auch in Anzeigen jederzeit Einsatz finden könnte und auch schon gefunden hat.“

Erschaffen eines originäre Bildstils

Werbetreibende könnten, so Sindelar, viel von Künstlern lernen: „Kreative schöpfen aus sehr vielen Inspirationsquellen. Was alle Kreativen von der Bildenden Kunst lernen können, ist das Erschaffen eines originären Bildstils, einer neuartigen Formensprache. Die überrascht und unsere Sehgewohnheiten erweitert oder auf den Kopf stellt. Künstler haben mehr Zeit und Fokus auf die Stilistik und müssen keiner vorgegebenen Aufgabe nachgehen. Das macht sie oft zu visuellen Pionieren. Freilich nicht immer massentauglich. Hier kommen die Werber ins Spiel, die Auffälligkeit und Eigenständigkeit mit meist breiter Gefälligkeit verbinden müssen.“

„Kreative sollten sich viel mehr mit Kunst auseinandersetzen“

Der kreative Kopf der PKP BBDO möchte sich aus Gründen der Offenheit nicht auf bestimmte Künstler kaprizieren. Über seine Präferenzen verrät er nur so viel: „Ich habe zeitgenössische Kunst etwas lieber als alte Meister. Installationen lieber als Skulpturen. Und ich bevorzuge Kunst, die eine klare Formensprache und Reduktion aufweist. Ausnahmen davon gibt es aber reichlich.“
Im Gedankenaustauch mit BranchenBlatt nennt Sindelar die Biennale in Venedig (Kunst wie Architektur) als Quelle „schier unendlicher Inspiration“. Und er meint, es stünde Kreativen nicht schlecht an, „sich viel mehr mit Kunst auseinanderzusetzen und zu lernen, den unterschiedlichen Stilen offen gegenüber zu stehen. Als wertschätzende Beobachter, nicht als Kritiker.“

 Mach mehr aus Andy Warhol

Unter eigenen Arbeiten findet Sindelar „leider viel zu wenige“, die künstlerischer Werbung nahe kämen. „Als ich meine Karriere (damals bei Ogilvy) startete, beeindruckte mich eine Kampagne, die hier im Wiener Büro mit einer Zeichnung von Keith Haring unter dem Titel „STOP AIDS“ umgesetzt wurde. Eine tolle Kombination und über den Tellerrand hinaus gedacht. Für McDonalds haben unsere Kreativen im letzten Jahr rasch reagiert und das geschredderte Kunstwerk nach erfolgreicherer Versteigerung entsprechend interpretiert und damit sehr viel Reichweite in Sozialen Medien generiert. Ein internes Motivationsprogramm für HP machte aus Andy Warhol > Andy Mehrhol und für die Statuette MYKI des ,Die Möwe Kinderschutzpreises' haben wir uns von Art Toys wie Munny inspirieren lassen und die kleine niedliche Statuette schließlich statt in Vinyl in Porzellan umsetzen lassen.“
Dass Beispiele solcher Art gegenwärtig weiträumig und zahlreich die Schule machten, sieht Sindelar freilich nicht: „Im Moment sieht es da mit mehr Kunst und Ästhetik in der Werbung meiner Meinung nach leider nicht besonders rosig aus. Immer schneller und lauter scheint alles immer werden zu müssen. Für mehr Schönheit im öffentlichen Raum scheint kaum ein Werbeeuro mehr übrig zu bleiben. Schade. Insbesondere Kultmarken könnten hier sicher punkten. Klassiker wie die künstlerische Humanic-Werbung oder die Kunst im öffentlichen Raum wie auf der Anker Brotfabrik würden heute höchst argwöhnisch betrachtet werden, da eine Umwegrentabilität schwer einschätzbar ist.“