Früher, da waren die Männer noch Männer, Frauen noch Frauen, alle haben gewusst, wo sie hingehören, die Ochsen haben größere Köpfe gehabt und Klimakrise lag als Wortgeburt in Abrahams Wurstkessel.
Auch die Parteien haben ganz genau gewusst, wo´s langgeht. Von den mittleren 1950er Jahren bis zur Machtergreifung Kreisky haben sie in den Werbekampagnen für Nationalratswahlen immer dieselbe thematische Klaviatur angeschlagen: die Roten haben die Schwarzen immer auf dem „Dollfuß-Weg" gesehen, während die Schwarzen die Roten gebetsmühlenartig als „Bolschewisten" oder „Kommunisten" komplimentiert haben.
Diesem Motiv hat die ÖVP sogar musikalisch Ausdruck verliehen. „Entscheide gut, entscheide frei, entscheide für die Volkspartei" heißt ein Wahlkampf-Schlager von 1966 zur Unterstützung des dann ja auch tatsächlich siegreichen Spitzenkandidaten Josef Klaus. Das Lied, wird dem 1921 geborenen und 1998 verstorbenen Komponisten und Orchesterleiter Heiz Neubrandt zugeschrieben. Auffällig: schon damals wurde der heutzutage so penetrant überstrapazierte Normalitätsbegriff in Anschlag gebracht.
Sag´s mit Musik, das haben sich fürderhin viele gedacht, wenn´s ans Wahlkämpfen ging. H.C. Strache hat sich als Spitzenkandidat der FPÖ wiederholt als Rapper in Szene zu setzten versucht; die Texte stammten wie alles „intellektuelle" Wahlkampfwerk aus Hirn und Feder des heutigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl. Peter Westenthaler, nunmehr FPÖ-Stiftungsrat im ORF, probierte es für das seinerzeitige BZÖ als volksdümmlicher Rocker.
Ein weiteres Glanzstück musikalischer Wahlwerbung lieferte die ÖVP für die Wien-Wahl 2010 mit dem Christine Marek-Rap-Song. Darin wird die damalige Spitzenkandidatin und Wiener Landesparteiobfrau Christine Marek gehuldigt (?). Sie können das Wunderwerk, das via YouTube überlebt hat, unten genießen - von der HP der Wiener ÖVP war es allerdings sehr rasch verschwunden. Muss man erwähnen, dass die ÖVP bei der Wien-Wahl 2010 ein erlesenes Debakel einfuhr?
Die Wien-Wahl war immer eine Inspirationsquelle für besondere Einfälle: Hier brachte die FPÖ den Slogan „Wien darf nicht Chicago werden" auf und verwendete ihn gleich zweimal (1991 und 1996, diesmal mit dem vorangestellten Zusatz, sprich Vorsatz: „Wir bleiben dabei:").
Unvergessen, aber leider mit digitalen Mitteln nicht (mehr) belegbar: Die historisch damals noch jungen Grünen konterten dem FPÖ-Chicago-Claim auf Plakaten mit dem aufgebrachten Gesicht eines Mannes, den man heute wohl als Wutbürger bezeichnen würde, und dem Spruch: „Schleicht´s eich nach Schikago, ihr G´fraster."
Die Warnung, was Wien alles nicht werden dürfe, hat als Wahlkampf-Topic Jahrzehnte überdauert. 2005 plakatierte der blaue Spitzenkandidat H.C. Strache „Wien darf nicht Istanbul werden." Später bemühte die damalige Integrationsministerin Susanne Raab - mit Blickrichtung auf islamistische Gewalt in den Banlieues - die Floskel in einem Interview: „Wien darf nicht Paris werden."
Das floss zwar nicht unmittelbar in die Wahlwerbung ein, sehr wohl aber in die Propaganda der mittlerweile türkisen ÖVP für die Wahl 2020. Auf den eigentlichen Sujets warb der Spitzenkandidat Gernot Blümel gewohnt bescheiden mit „Grüß Gernot."
2025 positioniert sich die ÖVP beim Kampf um Wien näher denn je bei der FPÖ (die just jetzt einen Haken schlägt und in der türkischstämmigen Community zu fischen versucht).
Im Überholmodus auf der Rechtsspur gebar man, nominell Bezug nehmend auf Spitzenkandidat Karl Mahrer, den Geistesblitz „Karl statt Kalifat", schreckte dann aber hasenfüßig vor seiner wahlwerblichen Verwendung zurück.
„Das hätte sich nur noch mit dem Slogan ,Mahrer statt Mohammed´ toppen lassen. Aber nicht einmal das hat sich die Wiener Volkspartei getraut", schreibt Günter Traxler im Blattsalat des Standard.
Aber was man in Umlauf gebracht hat, ist auch nicht von schlechten Eltern: „Deutsch ist Pflicht. Habibi“. „Autos verbieten verboten". „Mutter, der Mann mit dem Koks ist bald nicht mehr da".
Da stellen sich nun zweieinhalb Fragen: 1. Gilt Falco bald nichts mehr in Wien? 2.a) Wieso fällt unsereins zu Karl Mahrer nur „si tacuisses, philosophus mansisses" ein? b.) Wieso erscheint es just in diesem Wahlkampf so eklatant wohltuend, dass die Spitzenkandidaten der Wiener Regierungsparteien vergleichsweise fast gar nichts von sich hören lassen haben?