Preisträgerin Alexandra Wachter, links flankiert von ihren Laudatorinnen Astrid Zimmermann und Daniela Kraus, rechts von MHW-Chef Andy Kaltenbrunner Preisträgerin Alexandra Wachter, links flankiert von ihren Laudatorinnen Astrid Zimmermann und Daniela Kraus, rechts von MHW-Chef Andy Kaltenbrunner MHW / Evelyn Ruiz
15 Okt
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Das Hirn der Nation

Puls 4- und Puls 24-Journalistin Alexandra Wachter wurde gestern in der Brunnenpassage in Ottakring mit dem Walther-Rode-Preis geehrt. Eine Auszeichnung für Renitenz, wie sie sagte.

Jeder Mensch hat ein Hirn. Jedes Hirn wiegt ein bisserl was. Das von Alexandra Wachter wiegt besonders viel, seit im Sommer 2020 der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz sie und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht hat, dass sie eins hat. Dieses Hirn ist zwar nicht mit Gold aufzuwiegen, aber Geldes wert. Wie viel genau, lässt sich natürlich nicht genau sagen, aber es hat erwiesenermaßen - weil´s Thema der Laudatio war - erheblich dazu beigetragen, dass ihr der diesjährige Walther Rode-Preis zuerkannt und gestern verliehen wurde. Und es hat sicher auch dazu beigetragen, dass Wachter in Kürze auch den Robert Hochner-Preis entgegennehmen wird. Einen Teil der 5000 Euro für den Rode-Preis spendet sie übrigens an eine Einrichtung für Menschen, denen das Schicksal - so wie zeitweise auch ihr selbst - nicht die allertollsten Karten zugespielt hat.

Der Walther Rode-Preis ist eine der sympathischsten Auszeichnungen, die hierzulande an Journalisten vergeben werden: Stets in einem geschmackvollen, aber niemals protzigen Ambiente abgehalten, ohne dämliche Sponsoren, bei denen man sich katzbuckelnd bedanken muss - und vor allem: hier sind selbst die Reden, die bei solchen Feierlichkeiten den Preisübergaben vorangehen, hörenswert. Gestiftet wird die Auszeichnung, die benannt ist nach einem brillanten österreichischen Journalisten und Autor des frühen 20. Jahrhunderts, den die Bürokratie aus Österreich vertrieben hat und dessen Werk von den Nazis verboten war, vom Medienhaus Wien.
Gestern fand die Zeremonie in der Brunnenpassage in Ottakring statt. Das ist für nicht Nicht-Eingeborene ein bisserl ein Such-Rätsel, denn mit dem, was man unter einer „Passage“ landläufig versteht, hat dieser KunstSozialRaum der Caritas, als der die Institution firmiert, wenig zu tun. Und wenn sonst Menschen im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen, so tranken sie hier ihr Bier (Ottakringer, klar!) oder ihren Wein fröstelnd draußen vor der Tür - so sieht´s die Hausordnung vor. Trotzdem, wie gesagt, eine sympathische Location.
Die Laudatio hielt, nach gewohnt launiger Eröffnungsrede von MHW-Chef Andy Kaltenbunner, Daniela Kraus alternierend mit MHW-Gesellschafterin Astrid Zimmermann, ihrer Vorgängerin als Generalsekretärin des Presseclubs Concordia (Kraus war ihrerseits Gründungsgeschäftsführerin des MHW). Sie war in verschiedene Themenkomplexe unterteilt. Die alle hatten natürlich mit Eigenschaften und Anliegen der Journalistin Alexandra Wachter zu tun: Herz. Mut. Nerven. Gerechtigkeitssinn. Gender. Und natürlich: HIRN.

Die Geschichte gehört mittlerweile zur Folklore des österreichischen Journalismus. Man sieht sie ähnlich gerne auf YouTube oder sonstwo nach wie, was weiß ich, das Wut-Interview von Sturm-Kicker Günther Neukirchner oder die Performance von „Sympathy For The Devil“ beim Rock´n´Roll Circus der Rolling Stones Ende 1968: Bundeskanzler Sebastian Kurz will bei Puls 24 politisches Kleingeld und Werbung für seinen EU-Kurs in Sachen Corona-Hilfe für besonders betroffene Länder machen. Voller Stolz sieht er sich neben Dänemark, Niederlande und Schweden als Teil der „frugalen Vier“. Wachter nimmt das nicht hin, hinterfragt. Als sie Kurz mit einem kritischen Zitat der Zeit konfrontiert, bricht es aus dem sonst so beherrschten Kanzler heraus: „Aber sie haben ja ein eigenes Hirn!“
wachterShortys Erfüllungsgehilfen schnallten schnell, dass dieser Sager eher nicht so super für die Beliebheitswerte war und „überzeugten“ die Puls 4-Führung, die Passage zu streichen. Das verursachte wiederum Unmut in der Redaktion und über das Internet machte das „eigene Hirn“ schließlich doch die Runde. Wieder einmal so ein Fall, wo einer Panne eine Legende entwachsen ist.

„Wer wird ausgezeichnet? Was wird ausgezeichnet?“ stellte Wachter, die angeblich vor schwierigen Interviews zur Beruhigung und Konzentrationsfindung immer in Gedanken ein Lied singt, in ihrer Dankesrede zur Disposition.
Wer: Eine Frau, die mit ihrer mexikanischen Mutter mittel- und unterstandslos auf der Straße gestanden und im Teenageralter selbst Mutter geworden ist, ohne einen Schulabschluss zu haben. Die sich allen Widrigkeiten zum Trotz hochgekämpft hat, über Tirol TV und ORF Tirol bei Puls 4 und Puls 24 zu einer prägenden Journalistin dieses Landes geworden und - dieser Aspekt ist sehr wichtig - Vorsitzende des Frauennetzwerks Medien ist. Und stolze Mutter einer 13jährigen und einer fünfmonatigen Tochter.
Was: „Es ist Renitenz, die ausgezeichnet worden ist“, sagte Wachter klipp und klar. „Es gilt standhaft gegen Obrigkeiten aufzutreten.“

 

 



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