Preisträger Ed Moschitz Preisträger Ed Moschitz Screenshot BranchenBlatt
17 Jun
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Die erste Auszeichnung für hervorragenden Journalismus im Gedenken an Claus Gatterer in Sexten

The price formerly known as Claus Gatterer Preis geht 2021 an Ed Moschitz für seine Berichte aus und über Ischgl; der Schülerpreis CLAUS an Maria-Ramona Engl.

Um den Claus Gatterer Preis hat es vor einiger Zeit - die eigentlich nur zwei Jahre zurückliegt, aber, weil vor Corona, uns fast schon prähistorisch anmutet - mächtig Stunk gegeben. Da verweigerte der Tiroler Blogger Markus Wilhelm, dem der Preis zuerkannt worden war, mit dem Vorwurf, der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) als Veranstalter bereichere sich via Sponsorengelder am Preis, die Annahme. Und verzichtete so auf 10.000 Euro Preisgeld.
Nach einer längeren öffentlichen Debatte nicht nur um den Gatterer-Preis, sondern auch um diverse andere, ebenfalls vom ÖJC vergebenen Preise (wie den Renner-Preis), beschloss der ÖJC, an dessen Spitze mittlerweile eine Wachablöse stattgefunden hat, seine Auszeichnungen fürderhin undotiert und ungesponsert zu vergeben.
Den Gatterer-Preis gibt´s seither, ähnlich diversen verbandsabhängigen WM-Titeln beim Boxen, doppelt: Einmal als Prof. Claus Gatterer-Preis vom ÖJC. Er war letztes Jahr ausgesetzt; die diesjährigen Preisträger wird man im Spätherbst erfahren. Dann gibt es - die ungleich feierlichere Veranstaltung - die Auszeichnung für hervorragenden Journalismus im Gedenken an Claus Gatterer. Mit 10.000 Euro dotiert, wird diese von der Provinz Bozen-Südtirol finanziert und vom Presseclub Concordia und der Michael Gaismair Gesellschaft Bozen verliehen. Wie in besseren Zeiten unterstützt auch Sexten, die Heimatgemeinde des 1984 verstorbenen Journalisten und Historikers Claus Gatterer, die Veranstaltung und ist auch Schauplatz der Preisverleihung. Gestern am späten Nachmittag das erste Mal unter neuem Namen.

Und so begab sich ein ganzer Schub Wiener, bestehend aus der Spitze des PC Concordia mit Generalsekretärin Daniela Kraus, die Jury* unter dem Vorsitz von Radio- und TV-Legende Peter Huemer und natürlich dem Hauptpreisträger Ed Moschitz, in in die luftigen Höhen der Dolomiten.
Zum dritten Mal ist im Rahmen der Veranstaltung der Schülerpreis CLAUS vergeben worden. Er ist 500 Euro, eine Bronze-Statuette und ein einwöchiges Praktikum beim ORF in Wien wert, ein Gemeinschaftsprojekt des Schulverbundes Pustertal, der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion Südtirol, des ORF und eben der Gemeinde Sexten. Beteiligt haben sich Oberschüler*innen aus Süd- und Nordtirol.
Zunächst gecoacht und eingelernt von Medienprofis, erarbeiten - und realisieren - die Schüler*innen im Lauf eines halben Jahres selbstständig ein Thema und stellen sich einer Jury, diesfalls die Reporterin Barbara Bachmann, die Leiterin der Auslandskultur im Außenministerium in Wien, Teresa Indjein, der Südtiroler Radiojournalist Wolfgang Mayr und Andreas Pfeifer, Chef der ORF-Auslandsredaktion.
Elf Teilnehmer*innen haben bis zum Ende durchgehalten. Die Auswirkungen der Coronakrise, der Verpackungsoverkill, Burn-out, der gesellschaftliche Status der Frau, kulturelle Vielfalt und Soziale Medien gehörten zu den Themen, die da in Form von Video- und/oder Audiobeiträgen behandelt wurden. Das Rennen machte Maria-Ramona Engl mit einem Film-Beitrag über einen erfolgreichen Second Hand-Shop in Bayern, der Fragen über Nachhaltigkeit, Umweltbelastung und nicht zuletzt soziale und humanitäre Gesichtspunkte zur Disposition stellt und mögliche Alternativen aufzeigt.

Eine Lehrstunde in Sachen Selbstmitleid, Stiernackigkeit, Sturheit und aggressiver hochalpiner Primitivität

Wie ja schon länger bekannt ist, ging der Hauptpreis an ORF-Dokumentarfilmer Ed Moschitz für seine zwei Filme über die Alpen-Ballermann- und Corona-Hochburg Ischgl, die dann in der Sendung „Am Schauplatz“ ausgestrahlt wurden. Auch Branchenblatt hat diesen mehr als bemerkenswerten Dokus breiten Platz eingeräumt. Eine Lehrstunde in Sachen Selbstmitleid, Stiernackigkeit, Sturheit und aggressiver alpiner Primitivität.
Eigentlich waren´s drei Filme, die Moschitz über Ischgl drehte: Der erste, mit dessen Dreh noch Ende 2019 begonnen worden war, hätte im März 2020 ausgestrahlt werden sollen und vom Aufstieg des bettelarmen Dorfs zum alpinen Sause-Zentrum gehandelt. „Das Ibiza der Alpen“ hätte er heißen sollen. Mit Corona war der Jubel-Trubel-Bericht natürlich obsolet. Moschitz trotzte dem Druck aus huemerIschgl und recherchierte via Zoom und Skype weiter. Viel Gesprächsbereitschaft fand er nicht (mehr) vor. Heraus kam eine Doku mit interessantem Schwarz-Weiß-Kontrast: „Ischgl im Jänner als Über-Drüber Brennpunkt des alpinen Tourismus und Ischgl als Über-Drüber-Brennpunkt der Pandemie“, wie es der Jury-Vorsitzende Peter Huemer in seiner Laudatio ausdrückte.
Der Bericht wurde „Am Schauplatz“ unter dem Titel „Ischgl im Ausnahmezustand“ am 2. April 2020 ausgestrahlt und erreichte die Rekordquote von über 1 Million Sehern. „Es war gerade deshalb so spannend, weil Jänner und März überhaupt nicht zusammenpassten“, erklärte Huemer. „Eine Dorfstraße im Jänner - überfüllt mit einer unübersehbaren Menge an Skifahrern, die sich vor den Liftanlagen drängen. Die selbe Dorfstraße im März: absolut menschenleer.“
Am 10. Dezember 2020 folgte - natürlich wieder „Am Schauplatz“ - Folge 2, „Das große Schweigen“: Ein beleidigtes Alpen-Kaff im strikten Defensiv-Modus, sagen wir es so - mit ein paar Blut-Grätschen gegen das Reporterteam zur Abschreckung. „Eine Reportage, die scheitert an diesem Schweigen - aber gerade darin liegt ihre hohe journalistische Qualität“, sagte Huemer. „Wir lernen ein österreichisches Dorf kennen, das die Welt kennt.“
Der Preisträger erzählte schließlich, welche Sorgen die Ischgler seit jeher umgetrieben haben. Schon sein ursprünglicher Plan, den Weg Ischgls vom abgelegenen Bergbauerndorf zum touristischen Hot Spot zu ergründen und nachzuzeichnen, rief Misstrauen und Ablehnung hervor. „Am Tag meiner Anreise zeigte sich der Pressesprecher der Seilbahnen verärgert darüber, dass ein deutscher Sender einen betrunkenen Skigast in Ischgl zeigte, der nachts gegen eine Hausmauer urinierte. ,Wenn Sie sowas auch zeigen, gibt es kein Filmen bei uns’, schallte es aus dem Telefon. Im Büro des Bürgermeisters wurde ich mit der Frage konfrontiert, ob eine positive oder negative Werbung geplant sei. ,Gar keine Werbung - Information’, versuchte ich zu erklären. Mir wurde schnell klar, dass an einer solchen Berichterstattung wenig Interesse bestand.“
Im Laufe seiner Dankesrede kam Moschitz aber auch auf die Saisonarbeiter - seinen wichtigsten Zeugen für seine Dokumentionen - zu sprechen: Jenen schwächsten Gliedern in der touristischen Kette, die keine Lobby hinter sich haben und als erste mit ihrer eigenen Gesundheit für Fehlentscheidungen oder schlichtweg ausbeuterische Geschäftspraktiken in Hotellerie und Gastro haften müssen. Damit erinnerte Moschitz unvermeidlicherweise auch an den Namensstifter und den Zweck des Preises: „Die Coronakrise hat die sozialen Ungleichheiten an vielen Orten verstärkt, sie deshalb aber nicht unbedingt sichtbarer gemacht. Sozial benachteiligte Menschen, die sich oft in Abhängigkeit anderer befinden, schreiben bekanntlich keine Presseaussendungen. Sie beschäftigen keine PR-Agenturen und schon gar nicht können sie Sprechverbote anordnen. Ich möchte daher an dieser Stelle ganz bewusst an das Credo von Claus Gatterer erinnern, das lautet: Im Zweifel auf Seite der Schwachen.“

*Jury: Peter HUEMER (Jurysprecher), Lisa Maria GASSER, Nina HORACZEK, Edith MEINHART, Corinna MILBORN, Günther PALLAVER, Armin WOLF

 



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