Daten-Spezialist Michael Matzenberger, Der Standard, bei der Zeremonie Daten-Spezialist Michael Matzenberger, Der Standard, bei der Zeremonie Screenshot
12 Nov
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Virtuelles Feiern müssen wir erst lernen

Online wurde der Walther Rode-Preis 2020 vom Medienhaus Wien an den Standard-Journalisten und Datenspezialisten Michael Matzenberger verliehen. BranchenBlatt war dabei, so live, wie man dieser Tage nur live dabei sein kann.

„Das virtuelle Feiern, das müssen wir noch lernen“. Sagte Astrid Zimmermann, die langjährige Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, der heuer die Verleihung des Walther Rode-Preises veranstaltete - als Zoom-Event, versteht sich. Diese Form offenbart so manche Tücken und schier unüberwindliche Herausforderungen an die Multitaskingfähigkeiten mancher Teilnehmer: „Ich kann nicht gleichzeitig reden und Sekt öffnen“, klagte Zimmermanns Nachfolgerin Daniela Kraus, als sie zur Feier des Tages - und insbesondere des Preisträgers - den Korken laut knallen ließ. „Ihr entschuldigt, wenn ich Cava trinke“, sagte der seit vielen Jahren in Spanien teilzeitwohnhafte Ex-profil-Journalist Andy Kaltenbrunner, jetzt Präsident des Medienhauses Wien, das seit 2011 ohne (direkte) Sponsoren den Walther Rode-Preis vergibt und bisher mit diesem die Redaktion der Ö1-Sendung „Diagonal“, das (damalige) profil-Duo Ulla Kramar-Schmid und Michael Nikbakhsh, die Redaktion der investigativen Plattform Dossier, Falter-Chefredakteur Florian Klenk, Standard-Edelfeder Günter Traxler, die Teams der ORF-Sendungen „Report“ und „Hohes Haus“, den den Kurier-Karikaturisten Michael Pammesberger sowie die im Zuge der Ibiza-Posse profilierten ORF-Moderator/innen Tobias PötzelsbergerSimone Stribl, Patrick Swanson und Matthias Westhoff bedacht hat. 

Der heurige Preisträger Michael Matzenberger mag der Öffentlichkeit vergleichsweise weniger bekannt sein. Aber die Jury hatte zwei gute Gründe, sich für ihn zu entscheiden. Eigentlich sind es drei, denn Matzenberger hat sich als Sportreporter auf dem Platz seines Vereins Vorwärts Steyr - damit wäre auch verraten, wo er herkommt - seine ersten journalistischen Sporen verdient. Später beim Ballesterer vertiefte er sich noch einmal ins Kicker-Gewerbe, und selbst als er, nach einem Intermezzo beim Kulturmagazin The Gap, beim Standard landete, widmete er sich unter anderem der ehrenwerten Aufgabe, anhand tausender Matchergebnisse, Tabellen und Soziodemografie-Daten zu untermauern, dass Österreichs Fußball „ruralisiert“, also fürderhin in der Pampa und nicht in den großen Städten prosperieren wird.

Mit dieser Anekdote ist allerdings auch sein Arbeitsgebiet gut charakterisiert: Matzenberger ist Datenspezialist, übt damit eine Disziplin aus, die in den USA bereits 1967 als Pulitzer-Preis-würdig befunden worden war, im österreichischen Journalismus - jedenfalls in dessen „Mainstream“ - aber immer noch nicht für ganz voll genommen wird. Matzenberger aber habe, befand das MHW, just in Zeiten der Verwirrung, sogar Hysterie um Corona die kühlende Kraft eines analytischen Verstands vorgeführt und die Diskrepanz zwischen Spekulationen und validen Zahlen aufgezeigt. Wie Andy Kaltenbrunner in seiner Laudatio festhielt, wurde man am ersten Höhepunkt der Pandemie mit Katastrophen-Charts bombardiert, kraft derer sich die Regierung zum Erlass von „manchmal demokratiepolitisch dürftig abgesicherten Sofortmaßnahmen“ ermächtigt sah. Matzenberger und sein Team stellten solcher Angstmache die Darstellung vieler Ungenauigkeiten, Unwägbarkeiten und auch echter Unsinnigkeiten bei der Kolportage von Corona-Zahlen entgegen und belegten diese auch mit Links. „Michael Matzenbergers umfangreiche Recherchen und dann Analyse aus dem Home-Office interessierte dabei das Standard-Publikum schon Anfang April durchaus sehr und ließ viele der UserInnen in den Online-Postings nachlesbar darüber aufatmen, dass Journalismus in der Pandemie auch Daten differenzieren kann und will. Matzenberger blieb damit nicht der einzige, aber war in Österreichs Leitmedien einer der ersten, die gegenüber Politik, die gerade brauchbare Zahlen mit jeweils opportuner Absolutheit interpretierte, im Gegenteil befand: Der Zweifel ist den Menschen zumutbar“, beschrieb Kaltenbrunner Matzenbergers Verdienste in einer nicht nur gesundheitlich und wirtschaftlich, sondern auch im Hinblick auf Wahrheitsfindung krisenhaften Situation. Der Geehrte selbst gab sich relativ gefasst. Das hat er laut eigener Aussage schon getan, als Kaltenbrunner ihn im August über sein Glück in Kenntnis setzte: „Wahrscheinlich hat Andy Kaltenbrunner mit einer enthusiastischeren Reaktion gerechnet. Aber ich war zu perplex, einen der wichtigsten Journalistenpreise des Landes gewonnen zu haben.“ Auch bei der virtuellen Feier hatte Matzenberger Schwierigkeiten, sich in rechte Partystimmung zu bringen - wie gesagt: hier mangelt es allgemein noch an Praxis - und verabschiedete sich recht rasch.